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Die Morde des Herrn ABC

Die Morde des Herrn ABC

Titel: Die Morde des Herrn ABC Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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kranken Frau, weiter nichts. Bitte, hier –» Er suchte nervös in seinen Taschen herum. «Hier ist ein Brief, den mein Bruder mir nach Malaysia schrieb. Ich möchte, dass Sie ihn lesen, damit Sie genau wissen, wie die Dinge wirklich lagen.»
    Poirot nahm das Blatt Papier. Franklin trat neben ihn und las, indem er die Zeilen mit dem Zeigefinger verfolgte, einige Stellen laut vor.
     
    …hier alles seinen gewohnten Gang nimmt. Charlottes Schmerzen sind verhältnismäßig erträglich. Ich wünschte, ich könnte dir bess e ren Bescheid geben. Erinnerst du dich an Thora Grey? Sie ist ein liebes Mädchen und mir mehr Beistand, als ich dir schildern kann. Ich wüsste nicht, wie ich ohne sie diese schreckliche Zeit überstehen sollte. Ihr Mitgefühl und ihre Anteilnahme sind überwältigend. Sie hat einen untadeligen Geschmack und viel Verständnis für schöne Dinge. Außerdem teilt sie mein Interesse für chinesische Kunst. Es ist wirklich ein großes Glück, dass ich sie gefunden habe. Eine Tochter könnte mir kein besserer und tröstlicherer Kamerad sein. Ihr Leben war kein leichtes und verlief nicht immer glücklich, umso mehr freue ich mich, dass sie hier ein Heim und ehrliche Zuneigung gefunden hat…
     
    «Sehen Sie, so waren die Gefühle meines Bruders für Thora Grey. Er betrachtete sie quasi als seine Tochter. Deshalb empfinde ich es als große Ungerechtigkeit, dass das Mädchen, kaum dass mein Bruder tot war, von dessen Frau aus dem Hause gewiesen wurde! Frauen sind wirklich manchmal Teufel, Monsieur Poirot!»
    «Ihre Schwägerin ist sehr krank, und sie leidet, das dürfen Sie nicht vergessen, Mr. Clarke.»
    «Ich weiß, ich weiß! Das sage ich mir ja auch dauernd. Man darf nicht zu hart über sie urteilen. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass ich Ihnen das zeigen sollte. Ich möchte nicht, dass Sie nach den Aussagen meiner Schwägerin eine schlechte Meinung von Thora bekommen.»
    Poirot gab ihm den Brief zurück.
    «Ich kann Ihnen versichern», sagte er lächelnd, «dass ich mir niemals und von niemandem Meinungen einreden lasse. Die bilde ich mir immer selber – nach meinen eigenen Beobachtungen.»
    «So oder so – ich bin froh, dass Sie das gelesen haben.» Clarke steckte den Brief wieder weg.
    «Und da sind auch schon die Mädchen! Also können wir abmarschieren.»
    Auf der Schwelle rief Poirot mich zurück.
    «Sind Sie entschlossen, die Expedition mitzumachen, Hastings?»
    «Ja. Ich könnte ein untätiges Dasitzen nicht ertragen.»
    «Es gibt eine Tätigkeit des Geistes, mon ami.»
    «Die liegt Ihnen besser als mir.»
    «Damit haben Sie ganz unzweifelhaft Recht, Hastings. Ist meine Annahme richtig, dass Sie eine der Damen begleiten wollen?»
    «So war es abgemacht.»
    «Und welche der Damen werden Sie mit Ihren Beschützertalenten beglücken?»
    «Das – hm – darüber habe ich noch nicht nachgedacht.»
    «Was sagen Sie zu Miss Barnard?»
    «Nun, sie ist eine eher unabhängige Natur», wich ich aus.
    «Und Miss Grey?»
    «Ja – vielleicht – ja, eher.»
    «Ich entdecke an Ihnen eine eigentümliche, wenn auch absolut durchsichtige Unehrlichkeit, Hastings! Sie sind seit langem entschlossen, diesen Tag mit Ihrem blonden Engel zu verbringen!»
    «Poirot! Ich muss doch bitten…»
    «Es tut mir leid, Ihre Pläne zu durchkreuzen, aber ich muss Sie bitten, jemand anders zu eskortieren.»
    «Bitte! Bitte sehr! Mir scheint, dass Sie eine Schwäche für diese Holländerpuppe von einem Mädchen gefasst haben!»
    «Sie werden Mary Drower begleiten, Hastings, und ich bitte Sie, das Mädchen nicht aus den Augen zu lassen!»
    «Aber warum denn, Poirot?»
    «Weil ihr Name mit einem D beginnt, mein Freund, und weil wir keine Risiken eingehen dürfen!»
    Diese Überlegung war gerechtfertigt, das sah ich ein. Im ersten Augenblick mutete sie vielleicht etwas weit hergeholt an; aber dann machte ich mir klar, dass ABC, der Poirot leidenschaftlich zu hassen schien, sich sehr wohl über jede Bewegung seines Gegners informiert haben konnte. Und in diesem Fall konnte ihm die Ausschaltung Mary Drowers als ein besonders boshafter vierter Streich vorschweben.
    Ich gelobte, meinen Beschützerpflichten getreulich nachzukommen.
    Als ich das Zimmer verließ, saß Poirot beim Fenster. Vor ihm auf dem Tisch stand ein kleines Roulett. Er setzte die Kugel in kreisende Bewegung. Ich wollte eben die Tür hinter mir ins Schloss ziehen, als er mir nachrief:
    «Rouge! Das ist ein gutes Omen, Hastings! Das Glück hat sich

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