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Die Morgenlandfahrt

Die Morgenlandfahrt

Titel: Die Morgenlandfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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mehr die Zunge band, wenn ich bedachte, daß ich über das Archiv verfügen konnte, über diese unergründliche Schatzkammer, so schien die Aufgabe mir größer und ehrenvoller als je.
    Je mehr ich jedoch in den Seiten meiner Handschrift las, desto weniger gefiel mir das Manuskript, ja es war mir auch in den verzweifeltsten Stunden bisher noch nie so unnütz und verkehrt erschienen wie jetzt. Alles schien so konfus und kopflos, die klarsten Zusammenhänge entstellt, das Selbstverständlichste vergessen, lauter Nebensächliches und Belangloses in den Vordergrund ge-drängt! Da mußte ganz von vorn begonnen werden. Wie ich das Manuskript so durchlas, mußte ich Satz um Satz durchstreichen, und indem ich ihn durchstrich, verkrümelte er sich auf dem Papier, und die klaren spitzen Buchstaben fielen auseinander zu spielerischen Formfragmenten, zu Strichen und Punkten, zu Kreisen, Blümchen, Sternchen, und die Seiten bedeckten sich wie Ta-peten mit anmutig sinnlosem Ornamentgewirke.
    Bald war nichts mehr da von meinem Text, dagegen blieb viel unbeschriebenes Papier für meine Arbeit übrig. Ich nahm mich zusammen. Ich machte mir klar: Natürlich war mir früher eine unbe-fangene und klare Darstellung nicht möglich gewesen, weil doch alles von Geheimnissen handelte, deren Mitteilung mir durch den Bundeseid ver-boten war. Wohl hatte ich den Ausweg gesucht, von einer objektiven Geschichtsdarstellung abzu-sehen und ohne Rücksicht auf die höheren Zusammenhänge, Ziele und Absichten mich einfach auf das von mir persönlich Erlebte zu beschränken. Aber man hatte ja gesehen, wohin das führte.
    Jetzt hingegen gab es keine Schweigepflicht und keine Beschränkungen mehr, ich war ganz offi-ziell ermächtigt, und dazu stand das unerschöpf-liche Archiv mir offen.
    Es war klar: Auch wenn meine bisherige Arbeit sich nicht in Ornamentik aufgelöst hätte, mußte ich das Ganze völlig neu beginnen, neu begründen, neu aufbauen. Ich beschloß, es mit einer kurzge-faßten Geschichte des Bundes, seiner Gründung und Verfassung zu eröffnen. Die kilometerlan-gen, endlosen, riesigen Zettelkataloge auf allen Tischen, die sich hinten weit in Ferne und Dämmerung verloren, mußten mir ja auf jede Frage Antwort geben.
    Vorerst beschloß ich, das Archiv durch einige Stich-proben zu befragen, ich mußte ja mit diesem ungeheuren Apparat arbeiten lernen. Natürlich suchte ich vor allem ändern nach dem Bundesbrief.
    »Bundesbrief«, sagte der Zettelkatalog, »siehe Fach Chrysostomos, Zyklus V, Strophe 39, 8.« -
    Richtig, ich fand das Fach, den Zyklus, die Strophe wie von selber, das Archiv war ganz wunderbar geordnet. Und nun hielt ich den Bundesbrief in Händen! Daß ich ihn wohl nicht würde lesen können, darauf mußte ich gefaßt sein. In der Tat, ich konnte ihn nicht lesen. Er war mit griechischen Buchstaben geschrieben, wie mir schien, und Grie -
    chisch verstand ich einigermaßen; aber teils war es eine höchst altertümliche, fremdartige Schrift, deren Zeichen trotz scheinbarer Deutlichkeit mir großenteils unlesbar blieben, teils schien der Text in einem Dialekt oder in einer geheimen Adepten-sprache abgefaßt, von der ich nur selten ein Wort wie von ferne her, nach Anklängen und Analo-gien, verstand. Aber noch war ich nicht entmutigt.
    Blieb auch der Brief unlesbar, so stiegen mir doch aus seinen Zeichen starke Erinnerungsbilder von damals auf, namentlich sah ich wieder zum Greifen deutlich meinen Freund Longus, wie er im nächtlichen Garten griechische und hebräische Zeichen schrieb, und die Zeichen verloren sich als Vögel, Drachen und Schlangen in die Nacht.
    Im Kataloge blätternd, schauerte ich vor der Fülle dessen, was hier auf mich wartete. Ich stieß auf manches vertraute Wort, auf manchen wohlbekann-ten Namen. Ich stie ß, zusammenzuckend, auch auf meinen eigenen Namen, aber ich wagte es nicht, über ihn das Archiv zu befragen — wer würde es ertragen, den Spruch eines allwissenden Gerichtshofes über sich selbst zu vernehmen? Dagegen fand ich zum Beispiel den Namen des Malers Paul Klee, den ich von der Fahrt her kannte und der mit Klingsor befreundet war. Ich suchte seine Nummer im Archive auf. Dort fand ich ein Plättchen email-liertes Gold, anscheinend uralt, darauf war gemalt oder eingebrannt ein Klee, von dessen drei Blättern stellte das eine ein blaues Schiffchen mit Segel dar, das zweite einen buntgeschuppten Fisch, das dritte aber sah aus wie ein Telegrammformular, darauf stand geschrieben:

    So blau wie

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