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Die Morgenlandfahrt

Die Morgenlandfahrt

Titel: Die Morgenlandfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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nicht mehr finden können, und haben dann in der Welt gelehrt, unser Bund sei nur eine hübsche Sage, durch welche man sich nicht dürfe verführen lassen. Andre sind heftige Feinde geworden und haben dem Bund jede Schmähung und jeden Scha-den angetan, der ihnen möglich war.«
    Wunderbar festliche Tage waren es jedesmal, wenn wir auf unsrem Zuge mit ändern Teilen des Bundesheeres zusammentrafen, wir bildeten dann zuweilen ein Heerlager von Hunderten, ja von Tausenden. Der Zug nämlich verlief nicht in einer festen Ordnung, so daß alle Teilnehmer in mehr oder weniger geschlossenen Heersäulen, alle in gleicher Richtung, gezogen wären. Vielmehr waren zahllose Gruppen gleichzeitig unterwegs, jede ihren Führern und ihren Sternen folgend, jede stets bereit, sich in eine größere Einheit aufzulösen und eine Weile ihr anzugehören, aber nicht minder bereit, stets wieder vereinzelt weiterzuziehen.
    Mancher zog auch ganz allein seines Weges, auch ich bin zuzeiten allein marschiert, wenn irgendein Zeichen oder Ruf mich auf eigene Wege lockte.
    Ich erinnere mich einer auserlesenen kleinen Gruppe, mit welcher wir einige Tage gemeinsam marschierten und lagerten; diese Gruppe hatte es auf sich genommen, die in Afrika gefangenliegenden Bundesbrüder und die Prinzessin Isabella aus den Händen der Mauren zu befreien. Von ihnen hie ß es, sie besäßen das Hörn des Hüon, und unter ihnen waren der mir befreundete Dichter Lauscher, der Maler Klingsor und der Maler Paul Klee; sie sprachen von nichts als von Afrika und der ge-fangenen Prinzessin, und ihre Bibel war das Buch von den Taten Don Quixotes, dem zu Ehren sie ihren Weg über Spanien zu nehmen dachten.
    Schön war es jedesmal, einer solchen Freundesgruppe zu begegnen, ihren Festen und Andachten beizuwohnen, sie zu den unseren einzuladen, ihre Taten und Pläne zu hören, sie beim Abschied zu segnen und zu wissen: sie zogen ihren Weg, wie wir den unsern, es hatte jeder einzelne von ihnen seinen Traum, seinen Wunsch, sein heimliches Spiel im Herzen, und doch flössen sie alle mit im großen Strom und gehörten alle zusammen, trugen dieselbe Ehrfurcht im Herzen, denselben Glauben, hatten alle dasselbe Gelübde abgelegt!
    Ich traf Jup, den Magier, der das Glück seines Lebens in Kaschmir zu pflücken gedachte, ich traf Collofino, den Rauchzauberer, seine Lieblings-stelle aus dem Abenteuerlichen Simplizissimus zitierend, ich traf Louis den Grausamen, dessen Traum es war, im Heiligen Lande einen ölgar-ten zu pflanzen und Sklaven zu halten, Arm in Arm ging er mit Anselm, der die blaue Irisblume seiner Kindheit suchen ging. Ich traf und liebte Ninon, als »die Ausländerin« bekannt, dunkel blickten ihre Augen unter schwarzen Haaren, sie war eifersüchtig auf Fatme, die Prinzessin meines Traumes, und war ja doch wahrscheinlich selber Fatme, ohne es zu wissen. So wie wir dahinge-zogen, so waren einst Pilger, Kaiser und Kreuzritter gezogen, um das Grab des Heilands zu befreien oder um arabische Magie zu studieren, spanische Ritter waren diesen Weg gepilgert und deutsche Ge-lehrte, irische Mönche und französische Dichter.
    Mir, der ich von Beruf eigentlich nur Violinspieler und Märchenleser war, lag es ob, in unsrer Gruppe für die Musik zu sorgen, und ich erfuhr es damals, wie eine große Zeit den kleinen Einzelnen hebt und seine Kräfte steigert. Ich spielte nicht nur die Violine und leitete unsre Chöre, ich sammelte auch alte Lieder und Choräle, schrieb sechs- und acht-stimmige Motetten und Madrigale und studierte sie ein. Doch nicht davon will ich berichten.
    Viele unter meinen Kameraden und Vorgesetzten wurden mir sehr lieb. Aber kaum einer hat, während er damals scheinbar wenig beachtet wurde, nachher meine Erinnerung so viel beschäftigt wie Leo. Leo war einer unsrer Diener (welche natürlich Freiwillige waren wie wir), er half beim Ge-päcktragen und war häufig dem persönlichen Dienst beim Sprecher zugeteilt. Dieser unscheinbare Mann hatte etwas so Gefälliges, unaufdringlich Gewinnendes an sich, daß wir alle ihn liebten.
    Er tat seine Arbeit fröhlich, sang oder pfiff meistens vor sich hin, war nie zu sehen, als wenn man ihn brauchte, ein idealer Diener. Außerdem hingen alle Tiere ihm an, beinahe immer hatten wir irgendeinen Hund bei uns, der Leos wegen mit-gelaufen war; er konnte Vögel zahm machen und Schmetterlinge an sich locken. Was ihn nach dem Morgenlande zog, war sein Wunsch, nach salomo-nischem Schlüssel die Sprachen der Vögel verstehen zu lernen.

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