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Die Moselreise - Roman eines Kindes

Titel: Die Moselreise - Roman eines Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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aber sagte, dass das Herumklettern ganz in Ordnung gewesen sei, denn gerade wegen des Herumkletterns würde ich die Burg Eltz und die Geschichte von der Trutzburg nie mehr vergessen. Das meiste von dem, was der Burgführer gesagt habe, werde ich vergessen, die Geschichte von der Trutzburg aber nicht, und zwar deshalb nicht, weil ich eben auf den Steinkugeln herum geklettert sei und weil das Herumklettern mich für immer an die Geschichte der Trutzburg erinnere. Ich antwortete Papa darauf aber nicht, denn ich bin mir nicht sicher, ob ich mich wirklich für immer an die Geschichte der Trutzburg erinnere, Papa aber war sich anscheinend sehr sicher, denn er wiederholte dann noch einmal, dass die Geschichte von der Trutzburg für mich eine sogenannte bleibende Erinnerung sein werde. Bleibende Erinnerungen, sagte er auch noch, seien besonders wertvolle Erinnerungen, es sei aber gar nicht so einfach, solche bleibenden Erinnerungen zu bekommen und zu behalten, die meisten Erinnerungen gingen vielmehr recht bald verloren und zurück bleibe im Kopf dann nichts als »kahle Platte, rein gar nichts, null«.

    Papa redet anders als sonst
    Manchmal redet Papa etwas anders als sonst. Dann sagt er zum Beispiel, dass etwas genau so ist und nicht anders. Oder er sagt »fertig ab!«, womit er ebenfalls meint, dass etwas so ist und nicht anders.
    Papa redet, wenn er anders redet als sonst, viel lauter als sonst.
    Mama redet ihn dann oft mit dem Vornamen an und sagt: »Josef! Ich bitte Dich!«
    Papa aber lässt sich nicht beirren und sagt meistens noch einmal: »Fertig ab!«
    Ich fand die Vorstellung, dass in unseren Köpfen von den meisten Erinnerungen »rein gar nichts, null, kahle Platte« übrig bleibe, sehr schlimm, und ich war so erschrocken, dass ich gar nichts mehr sagte und statt dessen richtig schwieg und darüber nachzudenken versuchte, wie ich möglichst viele bleibende Erinnerungen sammeln und aufheben könnte.
    Bleibende Erinnerungen
    Ich habe mir vorgenommen, die bleibenden Erinnerungen, die ich habe, einmal zu sammeln und aufzuschreiben.
    Der Kölner Dom ist eine bleibende Erinnerung.
    Unsere Kölner Wohnung ist eine bleibende Erinnerung.
    Opas Kautabak ist eine bleibende Erinnerung.
    Der Kartoffelpuffer von Tante G. ist eine bleibende Erinnerung.
    Ich glaube, ich habe schon sehr viele bleibende Erinnerungen, mehr jedenfalls, als ich anfangs dachte, als Papa von diesen Erinnerungen sprach.

    Ich hatte nur wenig Zeit, über bleibende Erinnerungen nachzudenken, denn wir erreichten im Eltztal wieder den Eltzbach und stießen schließlich auf ein kleines Wehr, wo wir Schuhe und Strümpfe auszogen und mitten im kalten Eltzbach nach Fischen Ausschau hielten. Papa erzählte mir, wie er früher an der Nister Fische mit der bloßen Hand gefangen habe, und ich fragte ihn, ob wir auch hier, im Eltzbach, Fische mit der bloßen Hand fangen könnten. Papa aber antwortete, nein, das sei nicht gut möglich, weil die Fische im Eltzbach zu klein und zu flink seien, vielleicht sei es aber möglich, einige Krebse zu fangen. Wir suchten dann auch eine Weile nach solchen Krebsen und drehten alle möglichen Steine um, weil sich Krebse gern unter Steinen verstecken, wir fanden aber keine Krebse. Eigentlich war ich auch froh, dass wir gar keine Krebse fanden, denn Papa hatte gesagt, dass er die Krebse mitnehmen wolle, damit man sie am Abend in der Küche der Familie B. gut zubereiten und essen könne. Ich sagte Papa aber nicht, dass ich Krebse nicht gerne essen würde, nein, ich brauchte ihm das ja überhaupt nicht zu sagen, weil wir gar keine Krebse entdeckten und so am Abend etwas ganz anderes essen würden.
     
    Ich bin ziemlich lange mit nackten Füßen durch den Eltzbach gegangen, Papa aber hat sich nach einer Weile an das Ufer gesetzt und das kleine Wehr gezeichnet. Dann haben wir noch etwas Obst gegessen, und ich habe eine Postkarte mit einem Foto von der Burg Eltz an Mama geschrieben.

    Postkarte 6
    Liebe Mama, heute haben wir die Burg Eltz besichtigt. Die Burg Eltz ist eine Musterburg, und das bedeutet, dass sie bewohnt ist und man sich nirgends anlehnen darf und auch nichts berühren. Der Burgführer sagte in jedem Burgraum sehr viel, und am Ende der Führung wäre ich fast umgekippt, weil ich von den vielen Worten sehr müde geworden war. Es war aber trotzdem sehr schön und auch ein bißchen lehrreich. Herzliche Grüße von Deinem Bub
    Schließlich gingen Papa und ich dann zurück nach Moselkern, wo wir am frühen Abend eintrafen. Noch

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