Die Moselreise - Roman eines Kindes
»Der Knabe im Brunnen« hat Stefan Andres seine Kindheit an der Mosel beschrieben, also wo er gelebt, mit wem er gespielt hat, mit welchen Menschen er zusammen gewesen ist, all das. Herr B. sagte, dass mir das Buch »Der Knabe im Brunnen« vielleicht Spaß machen könne, jedenfalls hoffe er das, schließlich handle es ja von
einem Buben in meinem Alter, der an der Mosel aufwachse. Ich bedankte mich sehr und sagte Herrn B., dass ich mich über das Buch freue und dass ich es lesen werde, wenn ich die »Fury«-Geschichten ausgelesen habe. Herr B. wusste nicht, was »Fury«-Geschichten waren, da erklärte ich es ihm und sagte ihm, dass Fury ein wunderbarer schwarzer und wilder Hengst sei und dass die Geschichten von ihm und dem kleinen Joey handelten, der Furys bester Freund sei.
Wir packten dann unsere Sachen zusammen und verabschiedeten uns von der Familie B., leider bekam ich die graue, dicke Katze nicht mehr zu sehen, sie war einfach nicht mehr da. Frau B. sagte, dass Katzen sehr »eigene« Tiere seien und dass man nie wisse, was ihnen so durch den Kopf gehe. Manchmal bliebe die graue Katze den ganzen Tag nur im Haus und rühre sich kaum von der Stelle, manchmal sei sie aber auch für ein paar Tage verschwunden, und niemand wisse hinterher, wo sie gewesen sei. Herr B. begleitete uns noch zur Schiffsanlegestelle. Wir mussten etwa eine Viertelstunde warten, dann aber kam das weiße Schiff auch schon angefahren, und wir bestiegen das Schiff und gingen an Deck. Die Sonne schien, es war sehr gutes Wetter, daher konnten wir die ganze Schifffahrt oben auf dem offenen Deck sitzen bleiben.
Postkarte 8
Liebe Mama, stell Dir vor: Ich sitze auf einem Schiff und fahre mit Papa auf der Mosel entlang! Es ist sehr schade, dass Du nicht bei uns bist. Manchmal überlege ich, was Du wohl gerade
machst. Oft weiß ich ganz genau, was Du machst, nur abends weiß ich es manchmal nicht so genau, weil wir abends ja oft alle zusammen spazieren gehen. Gehst Du jetzt allein spazieren? Herzliche Grüße von Deinem Bub
Wir fuhren dann eine Weile mit dem weißen Schiff, rechts und links der Mosel waren überall Weinberge, und die Weinberge gingen bis hinauf zu den Höhen der Hügel, wo dann die Wälder begannen. Manche Weinberge waren sehr steil, und die Erde der Weinberge war braun und grau und ganz kahl. Papa holte sein Fernglas heraus, und mit dem Fernglas schauten wir uns alles genauer an, was an den Ufern alles zu sehen war. Dann aber erreichten wir den Ort Müden, und Papa sagte, dass nun etwas ganz Besonderes geschehe, unser Schiff fahre nämlich bei Müden durch eine Schleuse, und so eine Schleuse sei etwas Besonderes. Er wollte mir aber nicht erklären, was das Besondere sei, sondern er sagte, dass ich mir in Ruhe anschauen solle, was mit dem Schiff in der Schleuse passiere, dann werde ich von alleine verstehen, was das Besondere an einer Schleuse sei.
Technik
Mama sagt manchmal zu anderen Leuten, dass Papa ein Techniker sei. Damit meint Mama, dass Papa sehr viel von Technik versteht. Papa weiß nämlich oft, wie etwas genau geht, also wie ein Auto oder wie ein Flugzeug oder wie irgendeine Maschine geht. Ich weiß so etwas nicht, und wenn man es mir erklärt, kann ich es nicht behalten. Ich bin also überhaupt kein Techniker, nein, das bin ich wirklich nicht. Fertig ab!
Wir gingen auf dem Deck ganz nach vorne, in die erste Reihe, und da sahen wir, wie unser Schiff in eine enge, dunkle Kammer hinein fuhr. In der Kammer wurde unser Schiff angebunden. Die Wände der Kammer waren feucht und nass und voll von grünem Schlick und Schlamm. Es war etwas unheimlich, denn unser Schiff bewegte sich nicht mehr, so dass wir da saßen wie Gefangene, die in der dunklen Kammer feststeckten. Es wurde auch still, die Fahrgäste redeten kaum noch etwas, alle standen auf dem offenen Deck und schauten an den feuchten Wänden hinauf. Dann aber sprudelte plötzlich Wasser in die Kammer, erst wenig, dann aber wurde es immer mehr. Das Wasser rauschte und rauschte und schoss in die Kammer, und unser Schiff stieg langsam nach oben, immer höher. Als es weit oben angekommen war, verschwand die vordere Tür der Kammer im Wasser, und wir konnten jetzt wieder weit über die Mosel schauen, denn in der Kammer hatten wir die Mosel gar nicht mehr gesehen. Unser Schiff fuhr also wieder hinaus aus der Kammer und in die Freiheit, und es fuhr jetzt viel höher als vorher, denn in der Kammer war unser Schiff ja hoch in die Höhe gehoben worden.
Papa fragte
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