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Die Moselreise - Roman eines Kindes

Titel: Die Moselreise - Roman eines Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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war ich von der langen Führung so müde, dass ich mich ganz schwach und erschöpft fühlte. Ich sagte Papa, dass ich von der Führung etwas erschöpft sei, und da antwortete Papa, dass die Führung wirklich sehr langatmig und auch etwas langweilig gewesen sei. Die meisten Führungen durch Burgen und Museen seien übrigens sehr langatmig und langweilig, er verstehe auch nicht, warum das so sei, schließlich sei es doch ganz einfach, eine solche Führung auch interessant und lebendig zu gestalten. Dann aber sagte er, dass wir jetzt etwas Kühles trinken und auf dem Rückweg ein Stück des Weges mit nackten Füßen durch das Wasser des Eltzbaches wandern würden, das werde uns auf andere, frische Gedanken bringen, und wenn wir dann erfrischt seien, werde er mir noch einmal kurz und knapp etwas über Burgen und
Ritter und die Burg Eltz erzählen, und zwar so, dass ich gut zuhören und alles verstehen könne.
     
    Wir haben dann eine große Flasche Sprudel und eine »Sinalco« getrunken, und Papa hat einige Äpfel und Birnen aus seinem Rucksack ausgepackt, die ihm Frau B. am Morgen für unsere Wanderung zur Burg Eltz mitgegeben hatte. Als wir das alles getrunken und gegessen hatten, ging es mir wieder besser, und ich hatte sogar wieder Lust, auf den großen Steinkugeln im Innenhof der Burg noch ein wenig zu klettern. Papa ließ mir dazu aber nur wenig Zeit, denn wir gingen, nachdem wir Burg Eltz verlassen hatten, rasch noch ein Stück in die Höhe, wo wir plötzlich auf die Ruine einer anderen Burg stießen. Papa sagte, dass diese Ruine der Rest einer alten Trutzburg sei, und als ich ihn fragte, was das Wort »Trutzburg« bedeute, erzählte er mir eine Geschichte.
    Die Geschichte der Trutzburg
    Vor vielen hundert Jahren hat der Herrscher von Trier die Ritter von Eltz angegriffen und die Burg Eltz zu erobern versucht. Das aber gelang ihm lange Zeit nicht, und so lag er mit seinen Soldaten in den Wäldern rund um die Burg und wartete auf Nachschub. Da er sehr ungeduldig geworden war, kletterte er auch in die Höhe, weil er das ganze Land überblicken und sehen wollte, ob der Nachschub wohl endlich käme. In der Höhe entdeckte er aber einen großen Felsen, von dem aus er auf die Burg Eltz herab blicken und sie mit Steinen und anderen Waffen beschießen konnte. Da beschloss er, auf dieser Höhe rasch eine Trutzburg zu bauen, um von dieser
Trutzburg aus die Burg Eltz anzugreifen. Als die Bewohner der Burg Eltz das bemerkten, verließ sie der Mut, und sie begannen, wehmütig zu klagen. Da jedoch entschloss sich die schöne Tochter des Herrn zu Eltz, den Herrscher von Trier umzustimmen. Sie stieg hinauf zu der Trutzburg und bat den Herrscher von Trier, die Burg Eltz nicht anzugreifen. Der Herrscher von Trier ließ sich auch wahrhaftig erweichen, er ließ von seinem Vorhaben ab und schenkte dem Ritter von Eltz sogar noch die Trutzburg, weil er einen so mächtigen Ritter als Freund behalten wollte.
    Ich fragte Papa, ob die Geschichte von der Trutzburg eine wahre Geschichte sei oder ob er sich diese Geschichte nur ausgedacht habe, und Papa sagte, dass es eine ziemlich wahre Geschichte sei. Die reine Wahrheit der Geschichte aber sei, dass der Herrscher von Trier die Burg Eltz mit genau jenen Steinkugeln von der Trutzburg aus beschossen habe, auf denen ich eben herum geklettert sei. Nach dem Beschuss habe sich der Herrscher von Trier mit dem Ritter von Eltz geeinigt und Frieden geschlossen, es sei aber nicht genau zu ermitteln, wie es zu diesem Frieden gekommen sei. Die schöne Tochter des Ritters von Eltz habe dabei wahrscheinlich keine Rolle gespielt, doch das alles liege so sehr im Dunkeln, dass es kein Mensch genau wissen könne. Wenn aber etwas derart im Dunkeln liege, könne man aus dem Dunkeln auch eine Geschichte machen, die an den Bau der Trutzburg und den damals geschlossenen Frieden erinnere. Diese Geschichte sei dann zwar nicht zu beweisen, aber eben auch nicht von vornherein falsch oder erlogen. Es sei einfach eine ziemlich wahre Geschichte.

    Was Papa nicht mag
    Papa mag Geschichten, die ganz erfunden sind, nicht besonders.
    Papa fragt oft, was denn an einer Geschichte wahr sei. Und das, was an ihr wahr ist, das will er dann ganz genau wissen.
    Wir kletterten dann von der Höhe der Trutzburg wieder hinab ins Eltztal, und ich sagte Papa, dass ich nicht auf den Steinkugeln im Innenhof der Burg Eltz herum geturnt wäre, wenn ich gewusst hätte, dass der Herrscher von Trier sie auf die Burg Eltz herab geschossen hat. Papa

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