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Die Musik des Zufalls

Die Musik des Zufalls

Titel: Die Musik des Zufalls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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a i st ein verteufel t gute r Pokerspieler.»
    «Ich hab’s ihm beigebracht, als er noch ein Kind war», sagte Nashe , de r sic h nich t bremse n konnte . «W o ma n Talent entdeckt , ha t ma n di e Pflicht , e s z u fördern.»
    «Allerdings» , sagt e Pozzi . «Ji m wa r mei n Mentor . E r ha t m ir alle s beigebracht , wa s ic h weiß.»
    «Abe r inzwische n is t e r mi r turmhoc h überlegen» , sagte Nashe . «Ic h trau e mic h nich t einma l mehr , a m selbe n Tisc h mit ih m z u sitzen.»
    Unterdessen hatte sich Stone aus seinem Sessel gehievt und kam mit dem Drink in der H a n d au f si e zu . E r stellt e sic h Nashe vor, schüttelte Pozzi die Hand, und wenig später saßen die vier um den leeren Kamin und warteten darauf, daß die Erfrischungen hereingebracht würden. Da hauptsächlich Flower da s Wor t führte , vermutet e Nashe , da ß e r de r Dominierende der beide n sei , doc h ungeachte t de r Wärm e un d stürmische n guten Laun e de s dicke n Manne s fühlt e Nash e sic h ehe r z u dem schweigsamen , schüchterne n Ston e hingezogen . Der schmächtig e Man n hört e de n andere n aufmerksa m zu , un d wenn e r einma l ein e s e ine r wenige n Bemerkunge n einstreute (undeutlic h stammelnd , al s se i ih m de r Klan g seine r Stimme peinlich) , la g i n seine n Auge n ein e still e Heiterkeit , di e Nashe zutiefst sympathisch war. Flower agierte aufgeregt und mit zudringliche m Wohlwollen , abe r Nash e spürt e dari n etwas Grobe s un d Besorgtes , da s de n Anschei n erweckte , al s se i er unein s mi t sic h selbst . Ston e hingege n wa r ei n schlichterer, sanfterer Mensch, ein Mann ohne Ausstrahlung, der sich einfach i n seine r Hau t woh l fühlte . Abe r da s ware n nu r erst e Eindrücke, erkannt e Nashe . Al s e r Ston e weite r a n de r klare n Flüssigkei t in seine m Gla s nippe n sah , ka m ih m de r Gedanke , da ß de r Mann auch einfach bloß betrunken sein könnte.
    «Willie und ich hatten es schon immer mit den Karten», sagte Flowe r gerade . «Dam als in Philadelphia haben wir jeden Freitagaben d Poke r gespielt . E s wa r ei n richtige s Ritual , un d in zeh n Jahre n habe n wi r woh l höchsten s ein e Handvol l Spiele verpaßt . Manch e Leut e gehe n a m Sonnta g i n di e Kirche , aber fü r un s wa r e s da s Poker n a m Freitagab e nd . Gott , wi e wi r unsere Wochenende n damal s genosse n haben ! Ic h sag e Ihnen , ein nettes Kartenspiel ist die beste Medizin, um die Alltagssorgen abzuschütteln.»
    «E s is t entspannend» , sagt e Stone . «E s hilft , au f andere Gedanke n z u kommen.»
    «Gan z genau» , sagt e Flower . «E s hilft , de m Geis t andere Möglichkeiten zu eröffnen, einen klaren Kopf zu bekommen.» Er schwieg einen Moment und nahm den Faden seiner Geschicht e wiede r auf . «Jedenfalls» , fuh r e r fort , «hatte n Willie un d ic h viel e Jahr e lan g unser e Büro s i m se l be n Gebäud e a n der Chestnu t Street . E r wa r Optometriker , wi e Si e wissen , un d ich Wirtschaftsprüfer , un d jede n Freita g machte n wi r u m Punk t fünf Feierabend . Da s Spie l began n imme r u m sieben , un d Woch e für Woch e habe n wi r dies e zwe i Stunde n au f haargena u di e gleiche Weis e verbracht . Al s erste s sin d wi r zu m Zeitungsstan d a n der Eck e un d habe n ei n Lo s gekauft , un d dan n sin d wi r übe r die Straß e i n Steinberg’ s Del i gegangen . Ic h hab e imme r Pastrami au f Roggenbro t bestell t un d Willi e Corne d beef . Da s ging ziemlic h lang e so , stimmt’s , Willie ? Neu n ode r zeh n Jahre, würd e ic h sagen.»
    «Mindestens neun oder zehn», sagte Stone. «Vielleicht auch el f ode r zwölf.»
    «Vielleicht elf oder zwölf», sagte Flower befriedigt. Inzwischen war Nashe klargeworden, daß Flower diese Gesc h icht e scho n of t erzähl t hatte , wa s ih n abe r nich t daran hinderte , di e Gelegenhei t z u eine r Neuauflag e z u genießen . Das mocht e verständlic h sein . Glüc k is t nich t weniger konsternierend als Pech, und wenn einem Millionen von Dollars buchstäblic h i n de n Scho ß gefalle n waren , mußt e ma n die Geschicht e woh l imme r wiede r erzählen , u m sic h selbs t davon zu überzeugen, daß sie wirklich passiert war. «Auf jeden Fall», sprac h Flowe r weiter , «habe n wi r da s lang e Zei t s o beibehalten. Da s Lebe n gin g natürlic h weiter , abe r die Freitagabende blieben un s heilig , un d a m End e ware n si e stärke r al s alle s andere. Willie s Fra u starb ; mein e verlie ß mich ; ei n

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