Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
Vom Netzwerk:
kann, fährt der Zipline nur
stündlich, noch dazu bloß montags, mittwochs und
freitags.
    In Novokuznetsk ist jeder damit beschäftigt, Rechte auf
bestimmte Dinge zu erwerben. Abdulkashim ist mit Hilfe der Armee an
die Macht gekommen, wie schon die letzten elf sibirischen Diktatoren,
aber an der Macht gehalten hat er sich deswegen, weil er
wenigstens zwei Versprechen einhielt – er vergrößerte
den Umfang der Streitkräfte und reduzierte alle sonstigen
Bereiche der Regierung. Seine Rivalen haben kein Alternativ-Programm
vorzuweisen.
    Novokuznetsk ist nicht die einzige Stadt auf der Welt, deren
Gebäude mit einer dicken Rußschicht überzogen sind,
aber es ist die jüngste, und der Belag wird immer dicker. Wenn,
was ohnehin selten genug geschieht, die Sonne durchkommt, sieht man,
daß die gerade erst erbaute Stadt von der Luftverschmutzung
zerfressen wird, am Verkehr erstickt und in den eigenen
Abwässern ertrinkt – aber es wird in einem
verblüffenden Tempo weitergebaut, und jedes Unternehmen, das
dazu imstande ist, verlegt seinen Firmensitz hierher, um der
Steuerlast und der Flut von Bestimmungen und Vorschriften zu
entgehen, die andernorts herrschen.
    Klieg sagt sich, daß dieser Ort sich im Grunde nicht von
anderen unterscheidet. Es erstaunt ihn immer ein wenig, daß
manche Menschen die Aktivitäten der Unternehmen beanstanden; die
Unternehmer tun nämlich nur das, wofür sie bezahlt werden
und was man sie tun läßt, und beides steht im alleinigen
Ermessen der Kunden und der Bevölkerung.
    Was ihn so beunruhigt, ist weniger das Chaos, das in dieser Stadt
herrscht, als vielmehr die Erkenntnis, daß es sich dabei um ein
unproduktives Chaos handelt. Er verliert indessen nicht ganz aus den
Augen, daß GateTech ja auch nichts produziert und
manchmal andere sogar daran hindert, etwas zu produzieren; die
Tatsache an sich stört ihn jedoch nicht. Aber zumindest
unterhält GateTech ansprechende, attraktive Einrichtungen
mit dem Flair eines Universitätscampus, wo seine aus
Wissenschaftlern und Ingenieuren bestehenden Teams mit Freude an die
Arbeit gehen. Jede Einrichtung im Besitz von GateTech übertrifft die Standards für Hygiene,
Unfallverhütung und menschenwürdige Arbeitsbedingungen,
denn Klieg weiß, daß ein solches Ambiente kreatives
Arbeiten besonders fördert.
    Novokuznetsk hat mit diesem Ideal jedoch überhaupt nichts
gemein. Die qualmenden Schlote gehören überwiegend zu den
städtischen Kraftwerken, die abgeschaltet werden, wenn das
Fusionskraftwerk ans Netz geht (was jetzt jedes Jahr der Fall sein
müßte – wenn man aufhören würde, mit immer
neuen Bestechungsgeldern immer neue Betreibergesellschaften
anzulocken und es einem Vertragspartner ermöglichen würde,
die Arbeiten abzuschließen, natürlich immer unter der
Maßgabe, daß dieser Vertragspartner auch kompetent ist,
wobei jedoch nach all den konstruktiven Änderungen, die bisher
in das Projekt eingeflossen sind, jeder an dieser Stelle ein
Kraftwerk bauen könnte).
    Die Kraftwerke liefern ihrerseits Energie für gigantische
Reklametafeln, Büromaschinen in den Wolkenkratzern der neuen
City und eine Vielzahl von Vorzeige-Anlagen, die hauptsächlich
deshalb errichtet wurden, um Investoren anzulocken. Bei den typischen
Besuchern von Novokuznetsk handelt es sich um Geschäftsleute,
die davon träumen, neue Geschäftsbereiche mit hoher Rendite
zu erschließen, und alles ist darauf abgestellt, diese
Vorstellung zu bedienen. So können sie zum Beispiel die Anlage
zur Produktion von Matrix-Metallen besichtigen (in der Maschinen,
Pressen und Drehbänke alle in einer einzigen Halle versammelt
sind, weil die sterilen Räume, in denen sie zum Einsatz kommen
sollten, nie gebaut wurden). Weiterhin gibt es das
Luftfahrt-Testgelände, auf dem Spezialtests durchgeführt
werden (die Anlage hatte sich früher im Besitz der
Universität von Ohio befunden und wurde dann von Abdulkashim
erworben und demontiert; die neue Anlage der Universität von
Ohio ist für Forschungszwecke viel geeigneter) sowie die
nanochirurgische Klinik (die zwar kein potemkinsches Dorf darstellt,
deren Belegschaft aber überwiegend aus Chirurgen besteht, die
hierher deportiert wurden – die Art von Ärzten, die ein
kleines Problem mit Tabletten, dem Alkohol oder den Genitalien ihrer
Patienten haben). Dieser typische Besucher weiß nicht, was er
da betrachtet – er ist schließlich Kaufmann, kein
Ingenieur oder Wissenschaftler –, und daher schließt er
aus all den fieberhaften

Weitere Kostenlose Bücher