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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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richtig beurteilt hat. Weil die Regierung ständig mit dem
Angebot für freies Unternehmertum hausieren ging – private
Banken mit Gold-Standard, keine Umweltschutzbestimmungen, praktisch
keine Arbeitnehmerrechte und Sicherheitsvorschriften, kein Zwang zur
Beteiligung einheimischer Investoren und so weiter – glaubte er,
die Anlage bauen und gleich starten zu können.
    Das erwies sich als Trugschluß. Anstatt alles zu regulieren,
verlangt die Regierung für alles eine Genehmigung. Nicht,
daß eine solche Genehmigung nicht für einen Obolus zu
bekommen wäre, aber oft muß man einen stattlichen Obolus
entrichten, und immer dann, wenn man nicht den richtigen Kameraden
geschmiert hat, werden die Arbeiten eingestellt. Dann heißt es,
die überwiegend ungeschriebenen Prozeduren richtig zu befolgen,
die richtigen Leute zu bestechen, damit sie einen mit den Leuten
zusammenführen, die laut Reglement kontaktiert werden
müssen, und dann muß man schließlich die
zuständigen Beamten bestechen, damit sie die Gebühren
für die Regierung annehmen. Es wäre billiger gekommen, die
Anlage woanders zu errichten.
    Dann erinnert er sich jedoch, daß der Grund, die Anlage doch
hier zu errichten, in diesem Augenblick draußen über dem
Pazifik herumwirbelt; Kingman Reef, das die globale
Startkapazität verdoppeln sollte, ist bereits vernichtet worden,
und den aktuellen Meldungen zufolge hat der Sturm nun eine solche
Stärke erreicht, daß er die japanischen Startanlagen in
Kageshima und die der Republik Formosa in Hungtau zerstören
könnte; durch diesen großen Rechtsschwenk hat der
Wirbelsturm ›Clem‹ schiere Springfluten in nördlicher
Richtung vor sich hergeschoben. Von den weltweit fünf
großen Starteinrichtungen werden noch vor Juli drei mit
Sicherheit lahmgelegt sein, und das ist wirklich ein guter
Anfang.
    Er steht kurz vor einem Treffen mit diesem Burschen Hassan, der
zwar kein Sibirer ist, aufgrund der Recherchen von Kliegs Leuten aber
trotzdem über sehr großen Einfluß verfügt;
falls Hassan wirklich hält, was sein Ruf verspricht, dann
müßten die Genehmigungen ziemlich schnell erteilt werden,
und wenn er es nicht schafft, nun, es geht ja nur um Zeit und
Geld.
    Das Taxi schneidet eine Kurve, wobei es fast am Bordstein
entlangschabt; dabei bespritzt es mit einem schwarzen, öligen
Schwall ein Mädchen, das anscheinend in Derrys Alter ist und
oben ohne, nur mit einem kurzen Rock und Stiefeln bekleidet, auf dem
Gehweg posiert. Sie springt schreiend und fluchend zurück, und
Klieg erkennt die Spuren eines Dutzend verschiedener Infektionen auf
der weißen, noch kaum entwickelten Brust; sie weist die
charakteristischen purpurnen ARTS-Flecken und die angeschwollenen,
entzündeten Adern auf, wie sie bei SPM auftreten, sowie alle
Anzeichen eines alten Bandwurms. Da sie den Mund geöffnet hat,
sieht er, daß sie bereits ein paar Zähne verloren hat, und
ihre Physiognomie läßt den Schluß zu, daß sie
erneut an ARTS erkrankt ist.
    Das Schlimme ist, denkt er, während das Taxi davonfährt
und sie einen Dreckklumpen gegen die Heckscheibe schleudert,
daß, wenn sie Männer in Taxis auf diese Art anmacht, der
eine oder andere sie vielleicht kauft. Nun, wenn sie nicht schon
daran zugrunde geht, womit sie sich bereits infiziert hat, wird sie
zweifellos von AIDS oder einer anderen Immunschwächekrankheit
befallen werden und von der Straße – und unter der Erde
sein –, noch bevor sie vierzehn ist.
    Und zweifellos wird dann eine andere an ihre Stelle treten.
    Kapitalismus in Reinkultur, überlegt Klieg, ein
großartiges System, an dessen Spitze er sich halten
will…
    Das erinnert ihn daran, daß Glinda sich gegenüber Derry
wie eine typische Glucke verhält und nicht bemerkt, daß
das Kind heranreift; ab und zu läßt Derry schon
durchblicken, daß sie sich für Jungs interessiert und so
weiter, aber Glinda bemüht sich nach besten Kräften, das zu
ignorieren. Das muß natürlich nicht bedeuten, daß
Derry wie dieses Stück Menschenmüll dort hinten enden wird,
aber man braucht nicht erst zu billigen Huren zu gehen, um sich ein
tödliches Virus einzufangen, und daher muß man auf die
Kinder aufpassen.
    Noch etwas, das Klieg als Unternehmer tun kann. Er gefällt
sich in der Rolle als Derrys Beschützer. Dieses Gefühl ist
zwar nicht so angenehm wie der Gedanke an Glindas Braten (sie hat die
Mikrowelle so programmiert, daß er immer perfekt gelingt; Klieg
hingegen schafft das nie). Derry erzählt ihm immer, wie es in
der Schule

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