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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
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hatte.
    Der Trick ist, sich nicht in den Toiletten, sondern an der
Rezeption aufzuhalten. Noch besser ist es aber, jemanden für die
Rezeption einzustellen und selbst zu Hause zu bleiben.
    Dann wird Klieg bewußt, daß er in der Zelle hin und
her läuft; das ist irgendwie tröstlich, denn er hat es in
so vielen Filmen gesehen und freut sich nun, daß manches doch
so funktioniert, wie es soll. Nicht, daß dieser Ort ein Kerker
wäre; das Gefängnis gleicht eher einem einfachen Hotel
– innen gibt es nicht einmal ein Türschloß -; das
muß er Glinda erzählen…
    Die kahlen Wände sind gelblich weiß, und das
Gebäude ist so schlampig errichtet worden, daß man trotz
seines geringen Alters schon einige feuchte Stellen erkennt. Das Bett
besteht aus einem einfachen Metallrahmen, aus dem Wasserhahn kommt
nur kaltes Wasser, und bei der Toilette handelt es sich um ein
ziemlich primitives Modell mit Wasserspülung, aber ohne Deckel.
Die Uhr durfte er behalten, so daß er weiß, das Licht
geht morgens um sieben an und abends um neun aus.
    Hin und her, hin und her… fünf Schritte von einer Wand
zur anderen. Der Trick ist der, daß Maschinen, insbesondere
diese Replikatoren – die durch die Aktionen dieses Arschlochs
von Tynan, dem steuergeldvergeudenden Beamten einen Quantensprung
erfahren haben –, die physikalische Produktion übernehmen
werden, wobei ein Großteil der Entwicklung und Konstruktion
wahrscheinlich von diesen Künstlichen Intelligenzen
übernommen wird. Also werden die Dreckarbeiten, die
Latrinenputzer-Jobs, finanziell… Zeit, die finanzielle Kontrolle
abzugeben? Und was dann, nur noch Informationen besitzen? Es ist zwar
nicht die dümmste Idee, die er bisher hatte, aber er hat keine
Ahnung, wie er sie umsetzen soll.
    Er setzt sich auf die Bettkante und erwägt ernsthaft, trotz
der Beleuchtung zu schlafen. Das Problem ist nur, daß er
eigentlich nicht in der Stimmung ist…
    Der eigentliche Grund, weshalb manche Menschen im Gefängnis
bedeutende intellektuelle Leistungen vollbringen, besteht nach Kliegs
Ansicht darin, daß ein halbwegs intelligenter Mensch das Denken
nur für kurze Zeit aussetzen kann. Nachdenklich streckt er sich
auf dem Bett aus… wie soll er in einer Welt voller
Datenspäher und KI-Reversions-Ingenieure Informationen sichern?
Gesetzliche Titel und Genehmigungen bieten da auch kein Schutz.
    Vielleicht wird die Welt sich zu seinen Gunsten verändern?
Niemand weiß, was die von ›Clem‹ und seinen Ablegern
verwüstete Welt nachfragen wird, aber wenn er den Bedarf
ermitteln und spezifizieren könnte… aber als Inhaber einer
Monopolstellung muß man natürlich immer damit rechnen,
daß irgendein Politiker wegen dieses Monopols einen Kreuzzug
startet. Es ist wirklich nicht fair, daß man mit um so
höherer Wahrscheinlichkeit eins draufbekommt, je besser das
Geschäft ist.
    In der Ferne Scheppern und dumpfe Geräusche. Der Lärm
nähert sich. Ein Aufschlag. Wie immer bei unüblichen
Geräuschen, kontrolliert Klieg die Schnürsenkel und schaut
nach, ob die wenigen Besitztümer, die er behalten durfte, alle
in den Taschen stecken, insbesondere die Lesebrille.
    Diesmal hält der Lärm länger an, so daß er
sich von der Tür zurückzieht (aber so, daß er sie
noch im Blick hat) und sich darauf vorbereitet, die Hände zu
heben. Wenn er nicht gerade unterstellt, daß es sich um eine
Truppe trotteliger Lieferanten handelt, bestehen zwei
Möglichkeiten: es findet wieder mal ein Putsch statt und er wird
als wertvolle Geisel genommen; in diesem Fall wird er mit dem
nächsten Bewaffneten kooperieren, um nicht im Kreuzfeuer
umzukommen, oder…
    Etwas hämmert heftig gegen die Tür, und Risse bilden
sich um den Rahmen. Er zieht sich zurück und bedeckt den Kopf
mit den Händen.
    Ein erneutes Krachen, und diesmal erbebt die Tür; ganz
eindeutig wollen sie ihn mit hydraulischem Gerät rausholen, denn
er hört das Zischen zwischen den Schlägen. Er hat die
Brille, die Taschen sind voll, die Schuhe gebunden, die Hose ist so
weit hochgezogen, daß er nicht auf den Saum tritt…
    Krachend fliegt die Tür in den Raum, und Klieg sieht die
kleine Ramme, mit der sie zertrümmert wurde; ein Gerät auf
einem massiven Stativ, das eine verblüffende Ähnlichkeit
mit einem riesigen Schnappschloß aufweist.
    Der Mann, der durch die Tür tritt und »Mr. John
Klieg?« sagt, trägt eine blaue UN-Uniform.
    »Ja, Sir. Bin bereit.«
    »Gut. Folgen Sie mir.«
    Jetzt ist überall das Geräusch von Alarmsirenen zu
hören,

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