Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
Vom Netzwerk:
kleinen Verzögerung wieder auf
Sendung geht. Während sie bei der Arbeit Witze macht und sich
mit den Frauen in ihrer Gruppe unterhält, läßt sie in
den Tiefen des Bewußtseins, die unterhalb der XV
zugänglichen Region liegen, Carlas Bericht Revue passieren. Wenn
es stimmt, dann ist ›Clem‹ wirklich nicht der wichtigste
Punkt auf der Tagesordnung.
     
    »Sie haben Klieg rausgeholt«, sagt der junge
Uniformierte und schaut von der Tastatur auf. »Es hat aber eine
Verzögerung wegen starken Seitenwinds gegeben, und ein
Ortungssatellit muß wohl einen Bauabschnitt mit einer wichtigen
Landmarke verwechselt haben, so daß sie noch nicht auf dem
Raketengelände eingetroffen sind.«
    Im Krisenstab macht sich Anspannung bemerkbar. Es erübrigt
sich zu sagen, daß die ganze Sache umsonst war, wenn sie die
Starteinrichtung nicht unbeschädigt in die Hände bekommen,
auch wenn man sich generell über Kliegs Befreiung freut.
    Schließlich wendet Hardshaw sich seufzend an den General
neben ihr und fragt: »Wie ist das geschehen?«
    General Tim Bricker ist ein großer, dünner Mann mit
schleppendem Südstaatenakzent; zudem ist er jünger, als man
vermuten würde. Er ist einer dieser ehrgeizigen
Überflieger, die gern im Stab arbeiten, weil man dort gute
Chancen hat, protegiert zu werden. Hardshaw hat ihn einerseits
deswegen ausgewählt, weil er der richtige Mann für den Job
ist, der Öffentlichkeit die politischen Aspekte vermitteln kann
und verhandlungssicher und kompromißfähig ist, aber auch,
weil er einige Jahre Chef einer Infanteriekompanie war und sich schon
zweimal im Kampfeinsatz befunden hat, in kleinen Rettungsaktionen wie
dieser.
    Gemächlich klappt Bricker das Notizbuch zu und beugt sich zu
ihr hinüber. »Frau Präsidentin, es ist eine Situation
eingetreten, die wir als clusterfuck bezeichnen. Mehrere
Dinge, die normalerweise funktioniert hätten, sind
schiefgegangen. Einige Leute haben im Feld versucht, den Schaden zu
beheben, und weil sie nur über unzureichende Informationen
verfügten, haben sie die Lage bloß noch verschlimmert. Es
ist eins zum anderen gekommen. Also muß ich Ihnen auf Ihre
Frage nach der Kausalität antworten, daß ich es noch nicht
weiß, aber wir arbeiten daran. Doch wenn Sie den Schuldigen
wissen wollen, damit Sie ihn rechtzeitig aus dem Verkehr ziehen
können, müßte ich sagen, daß es im Grunde
keinen Schuldigen gibt, und wenn Sie doch einen Schuldigen wollen,
dann müssen Sie sich einen suchen.«
    Sein Ton ist feindselig, sogar rüde, und Hardshaw
verspürt das Bedürfnis, ihm Kontra zu geben, aber sie hat
schon genug Zeit mit feindseligen Leuten verbracht.
»General«, sagt sie also, »wenn es Ihnen besser
gefällt, die Frage war rein rhetorisch, und ich ziehe sie
hiermit zurück. Ich möchte nur eines wissen: wenn eine
solche Sache geplant wird, warum werde ich dann nicht im voraus
über mögliche clusterfucks informiert?«
    »Weil wir die Aktion gar nicht erst durchgeführt
hätten, wenn wir damit gerechnet hätten.
Überraschungen sind nie auszuschließen.« Er verharrt
in seiner Position, rührt sich keinen Zoll und schaut ihr direkt
in die Augen.
    »Ich habe mich nicht richtig ausgedrückt, General, mein
Fehler.« Sie sagt es leise und sanft, fast schnurrend; Harris
Diem würde dieser Ton von einigen harten Gerichtsverhandlungen
noch bekannt vorkommen, aber sonst weiß niemand im Raum ihn zu
deuten. »Ich wollte Sie eigentlich fragen, warum Sie immer von
einer ›Erfolgswahrscheinlichkeit von x Prozent‹ ausgehen
und dann unterlassen zu sagen, ›Und dann könnten wir
natürlich aus Versehen unsere eigenen Leute beschießen,
nachdem wir sie am Strand abgesetzt haben, zwei Staticopter könnten zusammenstoßen, wir könnten versehentlich
einen Schulbus zusammenschießen oder vielleicht werden
dreißig unserer Leute gefangengenommen und gefoltert‹. Nur
um einige Beispiele aus den letzten Jahren zu
erwähnen.«
    »Weil Sie uns nicht fragen und es auch nicht hören
wollen. Frau Präsidentin, ich sage nur, daß so etwas
möglich ist. Es geschieht eben. Wir müssen in
Sekundenbruchteilen reagieren, und das in einer Umgebung aus Feuer,
Rauch, Lärm, Explosionen und Schüssen – da passiert
schon mal so ein Scheiß. Sie sind doch schon eine Weile im Amt
und haben ein paar Rettungsaktionen erlebt. Wie können Sie dann
hier sitzen und behaupten, Sie wüßten nicht, daß so
etwas möglich sei?«
    Hardshaw lehnt sich zurück und mustert den General fest. Es
liegen einige Probleme

Weitere Kostenlose Bücher