Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Barnes
Vom Netzwerk:
Rechenschaft zu ziehen. Das wird einige Verhaftungen
und Strafprozesse in den Vereinigten Staaten bedeuten, in einigen
anderen Fällen Auslieferungsanträge sowie Zusammenarbeit
mit den sibirischen und anderen
Strafverfolgungsbehörden.«
    »Schließt das auch eine Zusammenarbeit mit den
Vereinten Nationen ein?«
    »Falls es die überhaupt noch gibt. Das Fortbestehen
dieser Organisation ist noch nicht gesichert, obwohl ich keinen
Zweifel habe, daß viele ihrer Unterorganisationen
weiterexistieren werden, wie seinerzeit auch einige der
Körperschaften des Völkerbundes von der UNO übernommen
wurden.«
    Bei dieser Bemerkung nickt Jameson lächelnd; sie und Hardshaw
wissen beide, daß die UN, falls sie sich als unerwartet
zählebig erweisen sollten, keinerlei Ärger machen werden,
aber wenn die UN, was wahrscheinlicher ist, nicht mehr existiert,
dann wird sie auch keine Verpflichtungen mehr eingehen und keine
Entschuldigungen mehr aussprechen.
    Hardshaw benutzt diese Gelegenheit, sich ein Bild von Jameson zu
machen und kommt zu dem Schluß, daß sie sie mag –
laut ihrer Akte ist sie Afropäerin; insofern ist ihre
staatsbürgerlich Loyalität über jeden Zweifel erhaben,
und es ist ein Vergnügen, ihre höflichen, aber sehr
direkten Fragen zu beantworten – und wenn es irgendwelche Fallen
in diesen Fragen gibt, sind sie sofort zu erkennen.
    Dann lächelt Jameson, ein gewinnendes, verschmitztes
Lächeln, das Hardshaw das Gefühl gibt, ins Vertrauen
gezogen worden und jetzt ihr bester Kumpel zu sein. Hardshaw kennt
dieses Lächeln – ein solches pflegte auch einer ihrer
besten Ermittler immer aufzusetzen, wenn er hart um ein
Geständnis ringen mußte. In diesem Fall ist es das
Lächeln, das – in der Blüte der Fernsehnachrichten
– auf den Gesichtern der Korrespondenten der Sender zu
erscheinen pflegte. Zum Glück, sagt Hardshaw sich, ist sie eine
Generation älter als Berlina und hatte in ihren jungen Jahren
exakt mit diesem Typ Reporter zu tun; denn heutzutage sieht man ihn
nur noch auf den XV-Kanälen, die ›Trotzkopf die
Reporterin‹ bringen.
    »Darf ich Sie fragen, Frau Präsidentin, was auf Monte
Alban geschieht und warum er plötzlich eine solche Bedeutung
erlangt hat? Bisher habe ich von Ihren Mitarbeitern nur erfahren,
daß Sie die Situation genau beobachten, und das ist nicht
gerade eine Nachricht, denn wenn man bedenkt, daß wir uns alle
in Synthi Venture eingeklinkt haben, beobachtet jeder die Situation
genau.«
    »Sie möchte bei ihrem richtigen Namen, Mary Ann
Waterhouse, genannt werden«, sagt Hardshaw. »Übrigens
eine sehr angenehme und interessante Person.« Eine klassische
Art, einer Frage auszuweichen; wollen mal sehen, ob Jameson wirklich
mit den Großen der Branche mithalten kann.
    »Ist es also richtig, daß Sie mit ihr in privatem
Kontakt standen?« fragt Jameson. »Darf ich das zitieren
– und darf ich fragen, ob Sie die Möglichkeit haben,
herauszufinden, was sich dort anbahnt?«
    Jawohl, denkt Hardshaw, Jameson kann es schaffen. Sie kritzelt
einen kurzen Vermerk aufs Papier – Jameson in die Liste von
Reportern aufnehmen, mit denen die Präsidentin inoffiziell
redet; im Bedarfsfall ist sie eine gute undichte Stelle.
    »Das sind gleich mehrere Fragen. Ja, ich habe mit Mary Ann
Waterhouse gesprochen – ihr und ihrem Begleiter, Jesse Callare,
geht es gut. Und sie wissen auch nicht, was dort vorgeht. Louie und
Carla spielen ihr eigenes Spiel. Mary Ann ist ihnen zufällig von
Nutzen, weil sie durch ihre Verbindung zu Passionet einen
Kanal für Carla und Louie darstellt, über den sie mit uns
kommunizieren können. Aber Jesse und Mary Ann spielen keine
verantwortliche Rolle – sie sind höchstens
Passagiere.«
    Jameson beißt sich auf die Lippe. »Ich weiß,
daß ich zum ersten Mal ein Interview mit der Präsidentin
der Vereinigten Staaten führe, und deshalb habe ich etwas Angst,
die Frage zu stellen, die mir gerade in den Sinn gekommen
ist.«
    Hardshaw lächelt sie an, ein breites, strahlendes
Lächeln, bei dem sie die Zähne zeigt, ein
oberflächlich freundliches Lächeln, das Hardshaw lange
geübt hat – weil man es genauso gut so deuten könnte,
daß sie die Zähne fletscht und zum Sprung ansetzt.
Hardshaw erinnert sich daran, was ihr höchster Vorgesetzter bei
der Bezirks-Staatsanwaltschaft zu ihr sagte: »Wenn Sie Politik
machen, sollten Sie die Reporter wie Cockerspaniel behandeln;
tätscheln Sie ihnen also den Kopf, werfen Sie ihnen einen
Knochen hin und sagen Sie Ihnen, was

Weitere Kostenlose Bücher