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Die Mutter aller Stürme

Die Mutter aller Stürme

Titel: Die Mutter aller Stürme
Autoren: John Barnes
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Wasser steht. Sie denkt an das Haus, das sie kaufen
und mit Naomi beziehen wird, und an das Vermögen, das ihr den
gewünschten Lebensstil ermöglicht.
    Der Sturm tobt weiter.
     
    Es hat aufgehört zu regnen, und die Temperaturen sind etwas
gestiegen – gerade so viel, daß die Kleidung am
Körper trocknet. Mary Ann Waterhouse genießt es richtig,
an diesem Tag einmal sie selbst zu sein, und sie hofft, daß die
›Passagiere‹, wie sie das Publikum seit neuestem nennt,
sich auch so amüsieren.
    Mary Ann, meldet Carlas Stimme sich in ihrem Kopf, hast
du einen Moment Zeit für mich?
    Natürlich.
    Sie fühlt es eher, als daß sie hört, wie Carla
über Passionet jedem erzählt, daß Mary Ann
wegen einer wichtigen Privatsache für einige Zeit nicht auf
Sendung sein und daß der Kontakt aber lange vor der Ankunft auf
Monte Alban wieder aufgenommen würde. Dann ist Carla voll
präsent. Sag Jesse, daß es etwas zu besprechen
gibt.
    »Carla hat sich gemeldet und mich aus Passionet hinausgeworfen«, sagt sie zu Jesse. Gott, was für ein
stattlicher Junge. Sie steigen vorsichtig über einen rauschenden
Bach, der sich quer durch die Straße gefräst hat; es ist
zwar nur ein großer Schritt, aber man muß prüfen, ob
die andere Seite das Gewicht auch aushält, und Jesse reicht
Carla die Hand, als sie den Bach überbrückt. Seine Hand ist
jung und stark, weich und warm, und sie spürt wieder dieses
leichte Kribbeln. Er schaut ihr lächelnd in die Augen. »He,
Carla, worüber müssen wir sprechen?«
    Carla spricht mit Mary Anns Stimme zu ihm; bei dem leicht
monotonen Mittelwesten-Akzent der toten Wissenschaftlerin hat Mary
Ann den Eindruck, ein kleines hartes Ei im Mund zu zerdrücken.
»Wenn es dich interessiert, sage ich dir, wer deinen Bruder
getötet hat und warum. Es wird kommt sowieso heraus – ich
habe die Daten an das FBI übermittelt –, aber ich dachte,
du möchtest es vielleicht als erster erfahren.«
    »So ist es.« Jesses Augen sind jetzt alles andere als
ausdruckslos; aus dem Innern ihres Körpers verspürt Mary
Ann den Drang, seine Hand zu ergreifen.
    Ein letzter Regenschauer geht auf sie nieder, und Carla fügt
hinzu: »Louie bittet um Entschuldigung; er bombardiert die
Wolken mit großen Mengen gefrorenen Sauerstoffs, und es
läßt sich nicht immer vermeiden, daß ihr einen
kleinen Schauer abbekommt. Aber wenn ihr oben angekommen seid, wird
der Himmel wieder klar und blau sein.«
    »Schon gut«, sagt Jesse, »jetzt sag mir, wer Di
ermordet hat.«
    Carlas Stimme hat einen merkwürdig verächtlichen Klang.
»Man könnte es als eine Art Verfahrensfehler bezeichnen.
Hast du schon mal den Satz gehört ›Nimm’s oder
laß es bleiben‹? Nun, die sibirische Regierung hatte sich
wie alle anderen auch in XV eingeklinkt, und man ließ ihn
ständig beschatten, weil man über seinen Status informiert
war. Daher fanden sie natürlich auch heraus, mit wem er am
meisten sprach, und das waren Diem und ich.
    Also sagte sich jemand, daß er eine wichtige Ressource sei,
und wenn man eine Ressource nicht selbst nutzen kann, sorgt man am
besten dafür, daß auch niemand sonst sie nutzen kann
– zum Beispiel eine Brücke in Kriegszeiten – also
brauchten sie einen Plan, um ihn loszuwerden. Und militant, wie sie
nun einmal sind, wurde dieser Plan Bestandteil einer ihrer
Höchste-Ge-heimhaltungsstufe-Sofort-Auszuführen-Aktionsbereit-Ja-Sir-Dateien.«
    Merkwürdig, daß Carla sich ihre Art von Humor bewahrt
hat, aber sie setzt jetzt andere Akzente als früher. Vielleicht
fühlt sie sich auch nur zum Scherzen aufgelegt, weil sie letzten
Endes dieselben Vorgänge beschreibt, die auch zu ihrer Ermordung
geführt haben. Mary Ann denkt einen Augenblick lang darüber
nach, dann sendet Carla ihr eine Bestätigung – daß
sie noch nie richtig mit Menschen umzugehen wußte und daß
sie immer ein zu loses Mundwerk hatte.
    »Jedenfalls bestand das Problem darin, daß diese Datei
nun zu einem Paket militärischer Optionen gehörte. Die
Kerle beim Militär befürchten immer, daß ihre Befehle
nicht mehr ausgeführt werden, wenn die Befehlsketten
unterbrochen sind, und deshalb bauen sie oft eine Sicherung ein, die
im Falle einer Kommunikationsstörung nach spezifischen Kriterien
einen Plan ausführt.«
    »Das soll doch wohl nicht heißen, daß sie einen
solchen Plan automatisch… nun, ihn automatisch ablaufen lassen,
wenn sie sich telefonisch nicht erreichen können?«
    »Nicht ganz. Es gab eine abgestufte Aktions-Skala, wobei auf
jedem
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