Die Mutter der Königin (German Edition)
Kuriositäten. Heute ist der Raum entsetzlich leer, nur ein großer Tisch steht darin, auf dem die Werkzeuge der Ärzte liegen: Schüsseln fürs Schröpfen, Lanzetten, ein großes Glas mit sich windenden Blutegeln, Bandagen, Salben, eine Schachtel mit Kräutern, ein Buch mit den täglichen Einträgen schmerzvoller Behandlungen und weitere Schachteln mit Gewürzen und Metallspänen. Dort steht auch ein schwerer Stuhl mit breiten Lederbändern an den Armlehnen und Beinen, auf dem sie den König festbinden, um ihn ruhig zu halten, wenn sie ihm Getränke einflößen oder seine dünnen Arme mit Lanzetten traktieren. In der Sitzfläche ist ein Loch, in der Schüssel darunter werden Urin und Fäkalien aufgefangen. Wenigstens ist das Zimmer einigermaßen warm, im Kamin brennt ein Feuer, und es ist sauber; aber es ähnelt mehr einem der besseren Räume in der Bethlem Anstalt für Geisteskranke als einem königlichen Privatgemach. Ein Raum für einen gut gepflegten Verrückten, nicht für einen König. Der Herzog tauscht einen entsetzten Blick mit mir. Wer hier hereinkommt, wird bestimmt nicht denken, dass sich der König im stillen Gebet von der Welt zurückgezogen hat.
Die drei Hauptärzte des Königs stehen mit ernsten Mienen in ihren dunklen Gewändern hinter dem Tisch. Sie verbeugen sich, sagen aber nichts.
«Wo ist Seine Gnaden, der König?», fragt der Herzog.
«Er wird gerade angekleidet», antwortet Dr. Arundel. «Sie bringen ihn gleich herein.»
Der Herzog macht einen Schritt auf das Schlafgemach zu, dann hält er inne, als wollte er nicht hineinsehen. «Bringt ihn her», befiehlt er knapp.
Der Arzt geht zur Tür und öffnet sie weit. «Bringt ihn her», sagt er. Von drinnen ist Möbelrücken zu hören. Ich halte die Hände eng verschränkt unter meinen Ärmeln verborgen, denn ich habe Angst vor dem, was gleich herauskommt. Erst erscheint ein bulliger Mann in einer königlichen Livree, der einen schweren, thronähnlichen Stuhl trägt. Der Stuhl steht auf einem Podest mit Griffen wie eine Sänfte. Hinter ihm kommt ein zweiter Träger in Sicht, und auf dem Stuhl selbst sitzt das, was von unserem König noch übrig ist – mit rollendem Kopf und geschlossenen Augen.
Er trägt ein stattliches blaues Gewand und einen roten Umhang, und seine spärlichen dunklen Haare fallen ihm gekämmt auf die Schultern. Sie haben ihn rasiert, doch dabei haben sie ihn geschnitten, und an seinem Hals hängt noch ein Blutstropfen. Weil sein Kopf hin und her wackelt, hat man den Eindruck, sie brächten einen soeben ermordeten Mann heraus, dessen Wunden noch bluten. Zwei Bänder um Brust und Taille halten ihn im Stuhl, aber sein Kopf rutscht zur Seite, und als sie den Stuhl absetzen, fällt er ihm auf die Brust, und er nickt wie eine Puppe. Vorsichtig setzt ihn der Arzt auf und hält seinen Kopf hoch, doch der König regt sich nicht ob der Berührung. Seine Augen sind geschlossen, sein Atem geht schwer wie der eines trunkenen Mannes im Schlaf.
«Der Fischerkönig», flüstere ich bei mir. Er sieht aus wie ein verzauberter Mann. Das ist keine Krankheit von dieser Welt. Es kann nur ein Fluch sein. Er sieht aus wie das wächserne Ebenbild eines Königs, das bei königlichen Begräbnissen auf den Sarg gelegt wird, nicht wie ein Lebender. Nur das Heben und Senken der Brust und ein leiser Laut, der ihm gelegentlich entweicht, wie ein Schnüffeln oder leichtes Schnarchen, verrät, dass er am Leben ist. Am Leben, aber leblos. Ich schaue zum Herzog hinüber, der den König entsetzt ansieht.
«Es ist schlimmer, als ich dachte», sagt er leise zu mir. «Viel schlimmer.»
Der Arzt tritt vor. «Davon abgesehen, ist er bei guter Gesundheit», berichtet er.
Ich sehe ihn ausdruckslos an. Diesen Zustand kann man doch nicht als gute Gesundheit beschreiben. Er gleicht einem Toten. «Gibt es denn nichts, was ihn aufwecken könnte?»
Er schüttelt den Kopf und deutet auf den Tisch hinter sich. «Wir haben alles probiert», erklärt er. «Und tun es weiterhin. Jeden Tag um die Mittagszeit versuchen wir eine Stunde lang, ihn aufzuwecken, und am Abend vor dem Nachtessen eine weitere. Aber er scheint nichts zu hören, und er spürt keine Schmerzen. Jeden Tag erklären wir ihm, er müsse aufwachen, manchmal schicken wir nach einem Priester, der ihn an seine Pflichten erinnert und ihm Vorwürfe macht, weil er uns im Stich lässt, aber es gibt keine Anzeichen, dass er irgendetwas hört oder versteht.»
«Verschlechtert sich sein Zustand?»
«Er wird nicht
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