Die Mutter der Königin (German Edition)
Feinde sind, ihre Todfeinde, und dass ich nie wieder mit einem von ihnen sprechen darf. Aber was man sich erzählt, kommentiert sie nicht: dass der König nicht Manns genug ist, einen Sohn zu zeugen, und dass der Neugeborene kein Prinz ist.
Die Königin und Edmund Beaufort wollen die Bemühungen verdoppeln, den König aus seinem Schlaf zu wecken, und stellen neue Ärzte und Fachleute ein. Die Gesetze gegen Alchemie werden geändert, nun dürfen die Gelehrten wieder arbeiten und werden sogar gebeten, die Ursachen von unbekannten Geisteskrankheiten zu ergründen. Schmieden werden instand gesetzt, Öfen angefeuert, Boten nach fremden Kräutern und Gewürzen ausgeschickt. Kräuterkunde, ja sogar Magie ist erlaubt, wenn sie nur den König heilt.
Sie ordnen an, dass die Ärzte ihn wirksamer behandeln sollen, aber da niemand weiß, was er hat, weiß auch niemand, was man dagegen tun kann. Er war immer als Melancholiker bekannt, deswegen versuchen sie, ihn in eine andere Stimmung zu versetzen. Um ihm einzuheizen, flößen sie ihm brühend heiße Getränke und scharfe Suppen ein. Sie lassen ihn unter dicken Fellen schlafen, legen ihm einen heißen Ziegelstein an die Füße und zwei Wärmflaschen an jede Seite, bis er schweißgebadet im Schlaf weint. Aber er wacht nicht auf. Sie ritzen seine Arme mit Blutlanzetten an und schröpfen ihn, um ihn von seinen wässrigen Körpersäften zu befreien, sie legen ihm Rückenwickel mit einer Senfsamenpaste auf, bis er wund ist, sie zwingen ihn, dicke Pillen herunterzuschlucken, und reinigen ihn mit Klistieren, damit er sich übergibt und leert und Gifte verbrennt, von denen seine Haut rot und wund wird.
Sie wollen ihn wütend machen, indem sie ihm auf die Füße schlagen, ihn anschreien, ihn bedrohen. Sie empfinden es als ihre Pflicht, ihn der Feigheit zu bezichtigen, und erklären ihm, er sei ein unbedeutenderer Mann als sein Vater. Sie beschimpfen ihn grausam, Gott vergib ihnen, sie schreien ihm Sachen ins Gesicht, die ihm das Herz brechen würden, wenn er sie nur hören könnte. Aber er hört nichts. Sie schlagen ihn so hart ins Gesicht, dass sich seine Wangen röten. Aber er steht nicht auf, er liegt nur reglos da und lässt alles über sich ergehen. In meinen Augen ist das keine Behandlung, sondern Folter.
Ich warte die Woche in Westminster ab. Eines Morgens, als ich wieder in der Dämmerung erwache, weiß ich, dass die Zeit gekommen ist. Sämtliche Fasern meines Körpers sind hellwach, und mein Geist ist klar wie das kalte Wasser, das den Steg umspült. Die vier Schnüre sind noch da, fest an den Stegpfosten gebunden, und ich ziehe an einer schwarzen Schnur und hoffe von ganzem Herzen, dass das weiße Bändchen mit der Krone zum Vorschein kommt, dass der König im Winter zu uns zurückkehren wird.
Gerade als ich die Hand nach den Schnüren ausstrecke, kommt die Sonne heraus, und ich sehe, wie sie am kalten blauen Himmel im Osten über dem Herzen Englands aufgeht. Die Lichtspiegelung der Wintersonne auf dem Wasser blendet mich, und als sie höher steigt und feuchte Dunstschwaden über den Fluss ziehen, sehe ich etwas Unglaubliches: drei Sonnen, eine am Himmel und zwei unmittelbar über der Wasseroberfläche, Reflexionen aus Dunst und Wasser, aber doch deutlich drei Sonnen. Ich reibe mir die Augen, aber die drei Gestirne funkeln mich an, während ich an der Schnur ziehe und mir auffällt, dass sie allzu leicht in meiner Hand liegt. Ich hole nicht nur die Schnur mit dem weißen Bändchen ein, das bedeutet hätte, dass der König im Winter zu uns zurückkehrt, auch nicht nur das grüne für seine Wiederkehr im Frühling. Ich ziehe sie alle heraus, und alle sind leer – die Krone ist fort. Der König wird nie mehr wiederkommen. An seiner statt wird eine neue Dämmerung anbrechen mit drei strahlenden Sonnen.
Langsam kehre ich zum Palast zurück, ein Knäuel nasser Bändchen in der Hand, und frage mich, was die drei Sonnen über England bedeuten. Als ich mich den Gemächern der Königin nähere, höre ich Soldaten schreien und klirrenden Waffenlärm. Ich raffe mein langes Kleid und eile zu ihren Räumen. Vor dem Audienzzimmer stehen Männer in der Livree von Richard, Duke of York, mit einer weißen Rose am Revers. Die Türen fliegen auf, und ich sehe, dass die Leibgarde der Königin unschlüssig herumsteht und die Königin auf Französisch auf sie einschreit. Ihre Hofdamen hasten kreischend in ihr Privatgemach, und zwei oder drei Lords aus dem Kronrat bemühen sich um Ruhe. Da
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