Die Mutter der Königin (German Edition)
besser und nicht schlechter.» Er zögert. «Ich glaube, er schläft etwas tiefer als am Anfang.» Höflich deutet er auf die anderen beiden Ärzte. Einer von ihnen schüttelt den Kopf. «Unsere Ansichten gehen auseinander.»
«Glaubt Ihr, er spricht, wenn wir ihm seinen Sohn bringen?», wendet sich der Herzog an die Ärzte. «Sagt er manchmal etwas? Was meint Ihr, träumt er?»
«Er sagt nie irgendetwas», meldet sich Dr. Faceby zu Wort. «Aber ich glaube, er träumt. Manchmal kann man sehen, wie sich seine Augenlider bewegen, manchmal zuckt er im Schlaf.» Er sieht mich an. «Einmal hat er geweint.»
Bei dem Gedanken an den im Schlaf weinenden König schlage ich meine Hand vor den Mund. Ich frage mich, ob er in eine andere Welt blickt und was er dort sieht. Er schläft jetzt seit fast vier Monaten. Was kann ein viermonatiger Traum einem Mann zeigen?
«Gibt es eine Möglichkeit, ihn dazu zu bringen, dass er sich bewegt?» Der Herzog denkt an den Schock, den der Rat bekommen wird, wenn er den König so zu Gesicht bekommt. «Könnte er den Säugling halten, wenn wir ihn ihm in die Arme legen?»
«Seine Muskeln sind vollkommen erschlafft», erklärt Dr. Arundel. «Ich fürchte, er würde das Kind fallenlassen. Ihr dürft ihm nichts Wertvolles anvertrauen. Er ist außerstande, irgendetwas zu tun.»
Wir schweigen erschüttert.
«Es muss getan werden», entscheidet der Herzog.
«Entfernt wenigstens diesen schrecklichen Stuhl», sage ich, und die beiden Träger bringen den Nachtstuhl mit den Bändern hinaus.
Der Herzog sieht mich ausdruckslos an. Aber uns fällt nichts ein, was die Lage verbessern könnte. «Bittet sie herein», sagt er schließlich zu mir.
Ich gehe zu den wartenden Lords. «Seine Gnaden, der König, befindet sich in seinem Privatgemach», sage ich und trete zur Seite, damit sie hineingehen können. Das Kindermädchen, die Amme und die Herzogin folgen ihnen auf dem Fuß. Es erleichtert mich unglaublich, dass der Kleine aus seinen dunkelblauen Augen an die Decke guckt, es wäre schrecklich gewesen, wenn er wie sein Vater schlafen würde.
Verlegen stellen sich die Lords im Halbkreis um den König auf. Niemand spricht auch nur ein Wort, ein Mann bekreuzigt sich. Beim Anblick des schlafenden Königs macht Richard, der Duke of York, ein grimmiges Gesicht. Ein Mann bedeckt die Augen mit den Händen, ein anderer weint. Sie sind zutiefst schockiert. Anne, Duchess of Buckingham, ist von ihrem Verwandten, Edmund Beaufort, über den Zustand des Königs gewarnt worden, aber sie ist trotzdem blass. Sie spielt ihre Rolle in diesem grotesken Tableau, als würde sie jeden Tag einem halbtoten Vater seinen Erstgeborenen präsentieren. Sie nimmt das Kind und geht auf den reglos an seinem Stuhl angebundenen König zu.
«Euer Gnaden», sagt sie leise. «Dies ist Euer Sohn.» Sie tritt vor, doch der König streckt nicht die Arme nach dem Kind aus. Er ist vollkommen reglos. Ungeschickt hält sie ihm den Säugling an die Brust, aber der König bewegt sich nicht. Hilfesuchend sieht sie den Duke of Somerset an, der ihr das Kind abnimmt und es dem König in den Schoß legt. Aber er rührt sich auch jetzt nicht.
«Euer Gnaden», sagt der Herzog laut. «Dies ist Euer Sohn. Hebt Eure Hand, um ihn anzuerkennen.»
Nichts.
«Euer Gnaden!», wiederholt der Herzog, diesmal etwas lauter. «Ihr müsst nur nicken, um Euren Sohn anzuerkennen.»
Nichts.
«Nur blinzeln, Sire. Nur zwinkern, um zu sagen, dass dies Euer Sohn ist.»
Es ist, als stünden wir alle unter einem Bann. Die Ärzte verharren und schauen auf ihren Patienten, hoffen auf ein Wunder. Die Herzogin wartet, der Herzog, der den Säugling mit einer Hand auf den bewegungslosen Knien des Königs festhält, während er dem König mit der anderen die Schulter drückt, fest, dann noch fester, bis sich seine starken Finger in die knochige Schulter drücken und er ihn schließlich grausam zwickt. Ich rühre mich nicht. Einen Moment kommt es mir so vor, als leide der König an der ansteckenden Krankheit der Bewegungslosigkeit, als müssten wir alle erstarren und mit ihm schlafen, ein verzauberter Hof um einen schlafenden König. Dann beginnt das Kind zu schreien, und ich trete vor und nehme es auf den Arm. Ich fürchte, es könnte vom Schlaf angesteckt werden.
«Es ist hoffnungslos», sagt der Duke of York plötzlich. «Er sieht und hört doch überhaupt nichts. Mein Gott, Somerset, wie lange ist er schon in diesem Zustand? Er kann ja überhaupt nichts tun. Ihr hättet
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