Die Mutter der Königin (German Edition)
Sorgen machen muss: Elizabeths Gemahl John und meinen Sohn Anthony und all die anderen Söhne, die in einem Land im Krieg aufwachsen.
Für einen Augenblick denke ich sogar an den kleinen Sohn des Duke of York, den ich an jenem Tag in Westminster mit seiner Mutter gesehen habe: an Edward, den hübschen Jungen. Sein Vater wird ihn zweifellos mit in die Schlacht nehmen, und auch sein Leben wird in Gefahr sein. Der Säbel hängt am Himmel über uns wie ein Schwert, das darauf wartet herabzufallen. Ich betrachte es lange Zeit und denke, dass dieser Stern der Witwenmacher genannt werden müsste, und dann schließe ich die Fensterläden und gehe zurück in mein Bett.
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Kenilworth Castle, Warwickshire
SOMMER 1457
R ichard und ich schließen uns dem Hof im Herzen von Marguerites Ländereien an, in der englischen Burg, die ihr die liebste ist: Kenilworth. Als wir mit unserer Eskorte näher kommen, sehe ich zu meinem Entsetzen, dass sie die Burg auf eine Belagerung vorbereitet hat, genau wie es mir der Nachthimmel vorhergesagt hat. Die Kanonen sind in Stellung gebracht und ragen über die frisch ausgebesserten Mauern. Die Zugbrücke ist zwar heruntergelassen, doch die Ketten sind geölt und straff, um sie jederzeit hochziehen zu können. Das Fallgatter schimmert oben im Torbogen, bereit, auf Befehl herabzustürzen, und Größe und Eleganz des Haushalts verraten mir, dass sie hier eine Burg bemannt und nicht ein Heim mit Personal ausgestattet hat.
«Sie hat sich auf einen Krieg vorbereitet», bemerkt mein Gemahl voller Grimm. «Glaubt sie, Richard of York würde es wagen, den König anzugreifen?»
Sobald wir uns den Staub von der Straße abgewaschen haben, suchen wir sie auf. Sie sitzt beim König. Ich sehe sofort, dass es ihm wieder schlechter geht, seine Hände zittern leicht, und er schüttelt den Kopf, als wollte er seine Gedanken leugnen und den Blick abwenden. Er bibbert wie ein verängstigtes Häschen, das sich nur ins sprießende Gras legen und übersehen werden möchte. Ich kann ihn nicht ansehen, ohne ihn festhalten zu wollen.
Marguerite blickt auf, als ich hereinkomme, und strahlt vor Freude bei meinem Anblick. «Schau, Mylord, wir haben viele Freunde: Hier ist Jacquetta, Lady Rivers, die Herzoginwitwe von Bedford. Erinnerst du dich, was für eine gute Freundin sie uns immer gewesen ist? Erinnerst du dich an ihren ersten Gemahl, deinen Onkel John, Duke of Bedford? Und hier ist ihr zweiter Gemahl, der gute Lord Rivers, der Calais für uns gehalten hat, als der böse Duke of York es uns fortnehmen wollte.»
Der König sieht mich an, doch in seiner Miene ist kein Wiedererkennen, nur der leere Blick eines verirrten Knaben. Er wirkt jünger denn je, all sein Wissen über die Welt ist vergessen, er strahlt nichts aus als reine Unschuld. Hinter mir unterdrückt Richard einen Ausruf. Er ist schockiert über den Anblick. Ich habe ihn mehrmals gewarnt, doch er hat wohl nicht begriffen, dass der König zum Prinz geworden ist, zum Jungen, zum Säugling.
«Euer Gnaden», sagt er und beugt das Knie vor ihm.
«Jacquetta wird dir sagen, dass der Duke of York unser Feind ist und dass wir uns darauf einstellen müssen, gegen ihn zu kämpfen», sagt die Königin. «Sie wird dir sagen, dass ich alles vorbereitet habe, wir werden gewiss siegen. Es bedarf nur eines Wortes von mir, und alle unsere Probleme sind vorbei und er ist vernichtet. Er muss vernichtet werden, denn er ist unser Feind.»
«Oh, ist er Franzose?», fragt der König mit seiner piepsigen Stimme.
«Guter Gott», murmelt Richard.
Ich sehe, dass sie sich auf die Lippe beißt, um ihre Gereiztheit zu zügeln. «Nein», antwortet sie. «Er ist ein Verräter.»
Das befriedigt den König nur einen Moment. «Wie heißt er?»
«Duke of York. Richard, Duke of York.»
«Ich bin mir sicher, jemand hat mir erzählt, der Duke of Somerset sei ein Verräter und er sei im Tower.»
Dass plötzlich Edmund Beauforts Name fällt und dass er auch noch aus dem Mund des Königs kommt, ist für sie äußerst schmerzvoll. Sie wird blass und wendet den Blick ab, um sich zu sammeln. Doch schon einen Augenblick später ist sie wieder ruhig und besonnen. Ich sehe, dass ihre Entschlossenheit und ihr Mut in diesem Sommer noch gewachsen sind, sie entwickelt sich zu einer mächtigen Frau. Willensstark war sie schon immer, doch jetzt hat sie einen kranken Mann und ein aufständisches Land, und sie verwandelt sich in eine Frau, die ihren Gemahl beschützen und über
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