Die Mutter der Königin (German Edition)
treueste …» Sie unterbricht sich und wendet sich ab, damit ich ihre Trauer nicht sehe. «Und was ist mit den Interessen des Prinzen, meines Sohnes? Wer dient mir und dem Prinzen? Wer kümmert sich darum, was wir wollen – ganz zu schweigen davon, was der Rat will?»
Ich verstumme. Es hat keinen Sinn, mit ihr zu streiten, wenn sie gegen den Duke of York wütet.
«Ich erlaube das nicht», sagt sie. «Ich gehe mit dem Prinzen über den Sommer nach Tutbury Castle, und dann weiter nach Kenilworth. Ich bleibe nicht in London, ich lasse mich nicht noch einmal in Windsor einsperren.»
«Niemand will Euch einsperren …»
«Ihr könnt Eure Kinder besuchen», verfügt sie. «Und dann kommt Ihr nach. Ich bleibe nicht in London, um mich vom Herzog herumkommandieren und von den Londonern beleidigen zu lassen. Ich weiß, was sie über mich sagen. Sie halten mich für ein Mannweib, das mit einem Narren verheiratet ist. Ich lasse mich nicht derart verunglimpfen. Ich gehe, und ich nehme den Hof mit, weit weg von London und weit weg vom Herzog. Soll er so viele Befehle erteilen, wie er will – was kümmert es mich. Sollen die Bürger von London doch zusehen, ob ihnen ihre Stadt gefällt, wenn der Hof nicht zugegen ist und kein Rat und kein Parlament. Ich werde zuschauen, wie sie bankrottgehen, und es wird ihnen leidtun, dass ich den Hof mit fortnehme und die Menschen in den Midlands mit unserer Gegenwart und unserem Wohlstand beehre.»
«Was ist mit dem König?», frage ich vorsichtig. «Ihr könnt ihn doch nicht allein in London zurücklassen. Das hieße, ihn der Aufsicht des Duke of York zu überantworten.»
«Er wird zu mir kommen, wenn ich es befehle», sagt sie. «Niemand soll es wagen, mir das abzuschlagen. Der Herzog wird es nicht wagen, uns zu trennen, und ich will verdammt sein, wenn ich mich noch einmal von ihm in Windsor einsperren lasse.»
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Grafton, Northamptonshire
SOMMER 1456
W ährend ich darauf warte, dass Richard zu uns nach Grafton kommt, genieße ich den Sommer mit unseren Kindern. Elizabeth ist mit ihrem Neugeborenen in Groby, ihre Schwester Anne besucht sie dort. Ich habe Anthony bei Lord Scales untergebracht, er dient ihm als Edelknecht und lernt dort, wie es in einem vornehmen Hause zugeht. Zufällig hat Lord Scales eine Tochter, eine einzige Tochter, seine Erbin Elizabeth. Meine Mary ist jetzt dreizehn, und ich muss mich nach einem Gemahl für sie umsehen; sie und ihre Schwester Jacquetta sind bei der Duchess of Buckingham und lernen, wie es in deren Hause zugeht. Mein Sohn John ist zu Hause, Richard und er haben einen neuen Lehrer und müssen fleißig lernen, Martha wird sich dieses Jahr im Schulzimmer zu ihnen gesellen. Eleanor und Lionel sind noch in der Kinderstube, zusammen mit ihrer zweijährigen Schwester Margaret und ihrem kleinen Bruder Edward.
Lange muss ich nicht auf die Heimkehr meines Gemahls warten. Zuerst bekomme ich eine Nachricht, dass Richard von seinen Pflichten in Calais entbunden wurde, und der Bote ist fast noch in Sichtweite, als der Staub der Straße die Einfahrt zum Haus hochweht. Ich nehme Edward aus der Wiege und drücke ihn an mich, halte eine Hand schützend über die Augen und blicke die Straße hinunter. Ich möchte, dass Richards Blick zuerst auf mich mit meinem Jüngsten im Arm fällt, hinter mir unser Haus, eingebettet in unsere Ländereien. Dann wird er wissen, dass ich ihm treu geblieben bin, unsere Kinder aufgezogen und seine Ländereien beschützt habe, so wie er mir treu geblieben ist.
Ich meine, schon die Farben seiner Standarte zu erkennen, gleich darauf bin ich mir ganz sicher, dass es seine Fahne ist, und dann weiß ich, dass der Mann auf dem großen Pferd am Kopf der Kompanie mein Gemahl ist, und ich vergesse vollkommen, wie sein Blick auf mich fallen soll, drücke Edward in die Arme seiner Amme, raffe meine Röcke und stürze auf ihn zu.
Richard ruft: «Hallo! Meine Herzogin! Meine kleine Herzogin!» Er zügelt sein Pferd und springt herunter, und einen Augenblick später liege ich ihm in den Armen. Er küsst mich so stürmisch, dass ich ihn wegdrücken muss, aber dann ziehe ich ihn wieder an mich und halte ihn fest, mein Gesicht an seinem warmen Hals, seine Küsse in meinem Haar, als wären wir ein Liebespaar, das eine endlos lange Zeit getrennt war.
«Geliebte», sagt er atemlos zu mir. «Es war wie eine Ewigkeit. Ich hatte schon Angst, du hättest mich vergessen.»
«Ich habe dich so sehr vermisst», flüstere
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