Die Mutter der Königin (German Edition)
Morgengrauen geht der König zur Messe und weist den Priester an, ein Dankgebet für überwundene Gefahren zu sprechen. Während er Jesu auf Knien für seine Gnade dankt und über seine eigene Klugheit frohlockt, erwacht die Stadt und erfährt höchst erstaunt, dass der Mann, den es für den Verlust der Besitzungen in Frankreich und die Ankunft einer bettelarmen französischen Prinzessin sowie für die Unterwanderung des Friedens in England verantwortlich macht, vom König freigelassen wurde und fröhlich ins Exil ziehen will, mit Gold und den Juwelen der Königin in den Taschen. Und dass er zurückkehren wird, sobald er sich sicher sein kann, dass sein Kopf auf seinen Schultern bleiben wird.
Die Königin kann ihre Freude ebenso wenig verbergen wie ihre Verachtung für diejenigen, die behaupten, sie sei vollkommen irregeleitet. Sie schlägt alle Mahnungen in den Wind, die meines Gemahls sowie die anderer Männer, die dem König dienen und sie darauf hinweisen, dass die Leute flüstern, der König habe die Treue zu seinen eigenen Lords und seinem Volk vergessen, ein Freund eines Verräters sei selbst ein Verräter. Und was soll man mit einem verräterischen König machen? Sie bleibt störrisch und frohlockt darüber, dass sie sich dem Parlament widersetzt haben. Sie will auch nicht auf mich hören, als ich sie warne, sie solle sich nicht mit ihrem Triumph brüsten, sondern sich in Acht nehmen vor den Menschen, die in einem Land, das wie das Spielzeug verwöhnter Kinder hin und her geworfen wird, schließlich nur nach guter Führung verlangen.
Nichts scheint die Freude und Ausgelassenheit der beiden zu dämpfen. Wir erhalten Nachricht, dass William de la Pole vor dem Pöbel aus London fliehen musste und sich, so lange er es wagt, in seinem Haus auf dem Land versteckt. Schließlich hören wir, dass er Segel gesetzt hat. Überall im Land kommt es zu Aufständen gegen Männer, die man beschuldigt, den König schlecht beraten zu haben und Umgang mit William de la Pole zu pflegen. Wenige Tage später kommt eine Zofe der Königin zu mir gelaufen und sagt, ich müsse sofort zur Königin kommen, sie sei schwer krank. Ich suche nicht einmal zuerst nach Richard, ich laufe in die königlichen Gemächer, hetze an den Türwächtern vorbei, scheuche Pagen aus dem Weg und finde alle in den Gemächern in Aufruhr, nur die Königin ist nirgends zu sehen.
«Wo ist sie?», will ich wissen, und jemand zeigt auf die Tür ihres Schlafgemachs.
«Sie hat geschworen, niemand dürfe hinein.»
«Warum?», frage ich.
Sie schütteln die Köpfe.
«Ist sie allein?»
«Die Duchess of Suffolk, die Gemahlin von William de la Pole, ist bei ihr.»
Bei diesem Namen verlässt mich der Mut. Was mag er jetzt wieder getan haben? Langsam gehe ich zur Tür, klopfe und drehe am Knauf. Die Tür lässt sich öffnen, und so trete ich ein.
Sofort fällt mir auf, wie jung sie ist, gerade einmal zwanzig Jahre alt. Sie wirkt sehr schmal in dem großen königlichen Bett. Sie liegt zusammengekrümmt da, als hätte sie Bauchweh, mit dem Rücken zum Raum, das Gesicht zur Wand. Alice de la Pole sitzt auf einem Schemel am Kamin, das Gesicht in den Händen verborgen.
« C’est moi », flüstere ich. «Ich bin es. Was ist passiert?»
Die kleine Königin schüttelt den Kopf. Ihr Schmuck hat sich gelöst, die Haare liegen wirr auf dem Kissen, und ihre Schultern beben vor stummen Schluchzern. «Er ist tot» ist alles, was sie sagt, als sei das Ende der Welt gekommen. «Tot. Was soll ich nur machen?»
Ich taumele und suche nach Halt, um nicht zu stürzen. «Mein Gott, der König?»
Heftig drückt sie den Kopf in das Kissen. «Nein! Nein!»
«Euer Vater?»
«William. William … mein Gott, William.»
Ich richte den Blick auf Alice, seine Witwe. «Es tut mir leid um Euren Verlust, Mylady.»
Sie nickt.
«Aber wie?»
Marguerite stützt sich auf die Ellbogen und sieht mich über die Schulter an. Die Haare hängen ihr golden um das Gesicht, ihre Augen sind rot. «Ermordet», fährt sie auf.
Ich sehe mich augenblicklich nach der Tür um, als könnte von dort ein Mörder hereinkommen. «Von wem, Euer Gnaden?»
«Ich weiß es nicht. War es der gefährliche Duke of York? Einer der anderen Lords? Jedenfalls einer, der feige ist und schändlich gehandelt hat, einer, der uns stürzen und zerstören will. Einer, der uns das Recht abspricht zu regieren, wie es uns beliebt, mit der Hilfe von Ratgebern unserer Wahl. Einer, der heimlich Segel setzt und einen unschuldigen Mann
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