Die nachhaltige Pflege von Holzböden
gefallen.«
»Wenn wir spielen, imitieren wir die Toten«, sagte Michael. Er hatte sich mit überraschender Geschwindigkeit verdüstert. Die Schnelligkeit seiner Stimmungsschwankungen erinnerte mich an Oskar. »Lärmorganisation nach Art der Toten.«
Ich beschloss, nicht weiter darauf einzugehen. Das englische Konversationsmodell â in dem der Tod entweder nicht existiert oder höchstens als begrenztes Phänomen, das nur abwesende Dritte betrifft â war meiner Meinung nach bei Weitem vorzuziehen. »Wie ist es denn so, mit Oskar zu arbeiten?«, fragte ich mit einer, wie ich hoffte, mephistophelischen Miene. Ich trank einen groÃen Schluck von meinem Wein, um mit Michael Schritt zu halten und nicht als verweichlichter Westler dazustehen.
»Wie es ist, mit Oskar zu arbeiten?« Michael hellte sich merklich auf. »Haha! Und mit Oskar befreundet zu sein? Ich mag Oskar. Oskar ist fantastisch, er ⦠ist ein Genie ⦠Gut, dass er nach Los Angeles geht, das ist der richtige Horizont für ihn, da wird er berühmt werden.«
»Er ist doch nur für zwei Wochen dort«, sagte ich. »Für die Scheidung.«
»Ach ja, die Scheidung ⦠Hast du sie mal kennengelernt?«
»Laura? Ja.«
Michael rümpfte schon wieder die Nase. »Und wie fandest du sie?«
Seiner Miene nach zu urteilen, konnte ich ruhig mit der Wahrheit herausrücken. »Ich mochte sie nicht.«
»Genau!« Michael strahlte. »Mein Gott, was für eine Zimtzicke , was?«
Er sagte das mit so genüsslicher Betonung, dass ich lachen musste. »Ah, ha, allerdings.«
»Sie kam hierher und hat alles runtergemacht, das Essen, den Wein« â er tippte an die Flasche â, »immerhin haben wir italienischen, und französischen haben wir auch! Wir leben nicht mehr im Kommunismus! Wir haben australischen Wein, wir haben sogar« â jetzt wurde sein Tonfall wahrhaft ätzend â »kalifornischen Fruchtsaft, Château Minute Maid, Cuvée 7Up! Aber für sie war nichts gut genug, sie fand die Stadt schmutzig und die Leute unfreundlich.«
Allmählich bekam ich ein schlechtes Gewissen wegen meiner Einstellung zu Oskars Heimat, aber wenigstens hatte ich sie für mich behalten. Laura hatte GroÃbritannien ja schon als rückständigen, anarchistischen Sumpf bezeichnet, kaum auszudenken, was sie erst von diesem Ort hier gehalten haben musste.
»Ich konnte sie nicht leiden«, sagte Michael, »aber Oskar, den mag ich, und ich arbeite gern mit ihm. Bist du ein alter Freund von Oskar? Weil, manchmal denke ich, wir alle arbeiten mit Oskar. Wir sind alle seine Mitarbeiter. Sein Leben und seine Arbeit sind eins. Er macht einen sehr guten Job, er ist sehr effizient und erfolgreich. Verstehst du, er geht nicht abends von seinem Job nach Hause, er arbeitet auch, wenn er schläft.«
»Verstehe.« Mit Schrecken bemerkte ich, dass mein Glas schon wieder halb leer war. Das Schlimme daran war, dass Michael es auch bemerkt hatte und bereits wieder nach der Flasche griff, deren Pegel schon stark gesunken war. Doch plötzlich fiel der Schrecken vollkommen von mir ab, und ich fühlte mich ⦠gut. Ich fühlte mich warm und entspannt. Die Atmosphäre in der Bar gefiel mir, sie umgab mich mit Geborgenheit. Der Rauch und der Lärm waren anheimelnd. Die Musik klang angenehm dekadent, mit Akkordeon und Klarinette und einem Gefühl von unausweichlichem Weltuntergang, der aber nicht allzu wichtig war. Hier kam ich mir vor, als könnte ich ein Dichter oder ein Intellektueller sein, der sich mit einem befreundeten Musiker eine Flasche teilte.
»Wie ist es denn so, Oskars Freund zu sein?«, warf Michael mir meine Frage spielerisch zurück.
»Ich hab ihn in letzter Zeit nicht mehr oft getroffen, seit er wieder hier lebt«, sagte ich. »Nur wenn er nach London kam. Aber ich kenne ihn von der Uni her. Früher waren wir oft zusammen.«
»Wieso magst du ihn?«, wollte Michael wissen. Zunächst klang die Frage ganz simpel. Ich setzte zu einer Antwort an, aber auf einmal verlor ich sie aus den Augen. Alles, was zurückblieb, war ein unentwirrbares Knäuel aus widersprüchlichen Gefühlen. Dann fiel mir ein, dass ich etwas sagen musste, irgendwas, um die peinliche Pause zu überbrücken.
»Na ja â¦Â« Ich gab mir einen Ruck. »Wieso mag man jemanden? Ich mag ihn, weil er so anders ist als ich ⦠so
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