Die nachhaltige Pflege von Holzböden
Wildfremden in einer fremden Stadt treffen zu müssen, war schon stressig genug, doch anstatt bei einem bescheidenen Imbiss ein bisschen steife Konversation zu machen, schleppte dieser abgedrehte Typ mich hier wer weià wohin.
» STOOOPP !«, brüllte Michael noch mal. Die Stadt hörte nicht hin. Unbeirrt rauschte der Verkehr vorbei, die Reifen zischten über den Asphalt und wirbelten feuchten Dunst auf. Auf der anderen Seite der Allee strömte das Wasser an verschiedenen Vorsprüngen des Betonmonsters herab, wo die Regenrinnen und Traufen versagten. Ich wunderte mich, dass es sich nicht schon völlig aufgelöst hatte wie ein grauer Zuckerwürfel. Endlich sprang die Ampel um, und der Verkehr kam zum Stehen.
»Interessantes Gebäude«, sagte ich, als wir dem brutalen Klotz näher kamen.
»ScheuÃlich!« Michael wedelte mit dem Arm, als wollte er den Anblick verscheuchen. »Ein Geschenk der sowjetischen Waffenbrüder. Sie haben es auf dem Friedhof der Kirche errichtet. Auf den Körpern der Toten! Aber die Toten, die haben sich gerächt. Es ist zu schwer. Es sinkt ab.« Er blieb so abrupt stehen, dass ich fast gegen ihn stieÃ. »Risse im Boden«, sagte er mit gruseliger Grimasse. »Man riecht den Tod.«
Unvermutet fühlte ich mich zu Michael hingezogen. Er wurde mir sympathisch. Mit ihm versprach der Abend noch einiges an Ãberraschungen zu bieten.
»Wo gehen wir überhaupt hin?«, fragte ich.
»Um die Ecke«, sagte er.
Die Bar war eine Backsteingruft im Tiefparterre, aber trotzdem trocken und nicht zu stickig. Sie war angefüllt mit kakofonischem Jazz aus einem stotternden CD -Spieler, Stimmenlärm und Zigarettenqualm. Die Beleuchtung war gelblich-schummrig und durch den Rauch vernebelt, sodass man sich schon wieder wie in einer Taucherglocke vorkam. Wir saÃen in einer Nische mit Kuppeldecke, und der Kellner brachte auf ein Handzeichen meines Begleiters hin eine Flasche Wein. Geld wurde ihm keines ausgehändigt, auch kein Preis genannt. Der Gedanke, dass Michael hundert Euro als unzureichend für die Abendgestaltung anzusehen schien, nagte an mir. Sollte ich für ihn mitzahlen? Betrachtete er sich als eingeladen? Ich ärgerte mich über meine Kleinlichkeit.
»Also, Freund von Oskar«, sagte Michael und goss die Gläser voll. Es irritierte mich, dass er mich nicht beim Namen nannte. »Erzähl mir von dir.«
»Ich bin Schriftsteller«, sagte ich.
»Aha! Du schreibst Bücher?«, erkundigte er sich eifrig.
»Ãhm, n-nicht direkt«, sagte ich. Gespräche, die sich nach diesem Muster entwickelten, konnte ich nicht leiden. »Ich verfasse Broschüren, Pressemitteilungen, so was in der Art.«
Michael runzelte die Stirn. Er besaà eine ausdrucksvolle Stirn, die selbst dann noch aufgefallen wäre, wenn er volleres Haar gehabt hätte. »Was sind Broschüren?«
»Ãhm ⦠so was wie kleine Bücher.«
»Kurzgeschichten?«
»Nein! Nein, so ⦠Infotexte, acht bis zwölf Seiten, für die Kommunalverwaltung.«
Ein Freudestrahlen ging über seine beweglichen Züge. »Aha-ha! Pamphlete! Politisch, wie? Jonathan Swift, Tom Paine â¦Â«
»Nein, nein«, wehrte ich genervt ab. »Broschüren ⦠über Recycling und Umweltschutz und Lärmschutz und den besten Zahlungsmodus für die Gemeindeabgaben und wie man die Gemeindevertreter wählt ⦠all so was halt.«
»Das macht man als Schriftsteller?«
»Na ja, man kann es auch Texter nennen.«
»Wie Werbetexter?«
»Nein, das kann man schlecht vergleichen, diese Broschüren enthalten alle dieselbe Sorte von Texten, ganz egal, um was es geht, immer das öde, eintönige Blabla, und online ist es noch schlimmer. Da ist man dann nur noch Textbausteinverwalter.«
»Verstehe«, lächelte Michael. »Das nennt man also Schreiben heutzutage. Dann wäre ich auch kein Musiker mehr, sondern ein Lärmorganisierer, ja?«
Ich lachte und hob das Glas. »Auf die Lärmorganisation!«
Michael stieà mit mir an, wir tranken, und er schenkte uns nach. »Das Konzert war gut«, sagte ich.
»Uff.« Michael rümpfte die Nase. »Manches davon ⦠ich trinke, um zu vergessen.« Er leerte sein Glas mit erstaunlicher Geschwindigkeit, füllte es wieder auf und goss mein immer noch gut gefülltes bis zum Rand voll.
»Also, mir hatâs
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