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Die Nachhut

Die Nachhut

Titel: Die Nachhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Waal
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sie starb. Weißt Du das auch noch: Wie sie sich selbst nicht mehr im Spiegel erkannte? So ähnlich ist es auch mit ihm: Man stellt seinem Kommandeur in aller Form eine Frage, und der schaut einen an, als stünde Iwan persönlich vor seinem Schemel.
    Welcher Teufel hat den alten Hohmann nur geritten, als er auf seinem Totenbett 1989 die Ältesten-Regel befahl? Täglich frage ich mich das. Als letzter ausgebildeter Offizier mußte er natürlich seine Nachfolge regeln. Aber immerhin war und bin ich der Einzige in der Mannschaft, der eine solche Laufbahn wenigstens anstrebt - nur eben leider auch nach wie vor der Jüngste in DB 10. Lach nicht! Sicher ist das alles relativ. Und selbstverständlich werde ich auch Otto gehorchen, bis er das Kommando für immer an den Herrgott abgibt.
    Weißt Du, was ich inzwischen glaube? Warum ich Dir überhaupt immer noch schreibe, als könntest Du es nächste Woche lesen? Weshalb ich die Zeit noch in Stunden messe und Vaters alte Soldatenuhr lieber einmal zu oft aufziehe als einmal zu wenig? Ich glaube: Hoffnung ist am Ende auch nur eine Frage der Disziplin.
    Wir dürfen nur nicht mit dem Schicksal hadern oder zweifeln, nicht an uns, nicht an Gott und erst recht nicht am Endsieg. Dann läßt sich sogar die Zeit bezwingen, die unser größter Feind geworden ist. Man muß sie kennen und exakt berechnen. Dann ist sie nichts weiter als die Frist zwischen zwei Befehlen, die Stunde zwischen zwei Kontrollgängen oder die Woche, mit der die Dienste wechseln.
    Diese Woche habe ich Küchendienst - schon wieder. Deshalb laß Dich für heute umarmen von Deinem Fritz!
    28. MÄRZ/NACHTRAG : Oh Gott, Liesbeth: Ungeheuerliches geht vor. Wie es aussieht, werden wir noch heute raus gehen. Raus! Und ich soll schuld sein. Später mehr. F.
    Das kannst du jetzt schwach finden oder gleichgültig, Evelyn, von mir aus auch typisch, aber für mich war es am Anfang ein Job wie jeder andere auch, nicht weniger, aber eben auch nicht mehr, und so wie ich das sah, war es bei meinem Chef nicht anders.
    Gerd Busch hatte im Wesentlichen auch nicht mehr vor, die Welt zu verändern. Dafür war er als Kameramann viel zu professionell, dafür konnten wir keine Spesen abrechnen und wenn du mich fragst, war er dafür auch einfach schon zu alt. Busch lächelte nicht einmal mehr über die anderen Weltverbesserer, sondern hielt einfach drauf - und fertig.
    Ein Auge zugekniffen, das andere am Sucher, so ließ er sich wie ein Dackel an der Leine über die Wiese zerren,
    Frauchen mit dem Mikro voran, ich hinterher, rein äußerlich ein Team, aber Busch ließ sich auch davon wenig anmerken. Er wirkte beinahe cool, und man könnte sogar nüchtern sagen, wenn er nicht genau dafür konstant zweieinhalb Promille gebraucht hätte.
    Dieser Pegel vor allem war mein Job, außerdem natürlich der Ton, ausreichend Akkus und was sonst noch zu den Aufgaben eines Kameraassistenten zählt. Leiter, Monse! Wo bleibt der Galgen, Monse? Stativ, mehr Kabel, Monse hier und Monse da; Benny oder gar Benjamin nannte er mich nie. Aber mit der richtigen Mischung aus Cola und Wodka in seinem Blut konnte man es mit Gerd Busch trotzdem aushalten. Dann hielt er auch selbst einiges aus, sogar einen Ostersonntag wie diesen.
    Mitten in einem Wald, etwa hundert Kilometer nordwestlich von Berlin, hatte sich der traurige Rest der deutschen Friedensbewegung versammelt. Es sollte wohl so etwas wie eine Demonstration sein, Ostermarsch nannten sie es nach guter alter Tradition, aber es passierte nichts, was auch nur eine halbe Minute Sendezeit wert gewesen wäre: Keine Polizei, nicht mal ein paar Skinheads störten die gediegene Langeweile der Protestausflügler. Sie lungerten einfach nur friedlich auf einer großen Lichtung herum, kämpften mit Pappschildern gegen unsichtbare Jagdbomber und einen Wind, der immer zorniger daran zerrte. Einige Kinder weinten, weil sich ihre Luftballons losgerissen hatten, andere hielt es nicht mehr auf den Stelzen.
    Die Lichtung war viel zu groß, um von ein paar hundert Menschen ein halbwegs eindrucksvolles Fernsehbild hinzubekommen. Lass es meinetwegen auch tausend gewesen sein - jedenfalls alles kein Grund, sich dermaßen ins Zeug zu legen, wie Busch es tat. Wir hätten einen Kran gebraucht, irgendwas Hohes für eine mittelmäßig aufregende Totale. Er aber probierte es in allen möglichen Einstellungen, über Kopf und aus der Hüfte, liegend oder aus der Bewegung heraus. Allein mit der Masse seines Körpers pendelte er dabei jeden

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