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Die Nacht - Del Toro, G: Nacht - Night Eternal (Bd. 3 The Strain Tril.)

Die Nacht - Del Toro, G: Nacht - Night Eternal (Bd. 3 The Strain Tril.)

Titel: Die Nacht - Del Toro, G: Nacht - Night Eternal (Bd. 3 The Strain Tril.) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Guillermo;Hogan Del Toro
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unterscheiden konnte, und das höchste Gebäude war ein dem kanaanitischen Gott Moloch gewidmeter Tempel. Etwa zweitausend Menschen lebten zu jener Zeit in Sodom, und die Fülle an Früchten, Gewürzen und Getreide ermöglichte ihnen ein mehr als angenehmes Leben. Jeden Tag, wenn die Sonne unterging, schimmerten die gläsernen und bronzenen Verzierungen an einem Dutzend Paläste.
    Riesige Tore aus gewaltigen Steinquadern, schwerem Eisen und dunklem Holz, die jedem Angriff standhielten, schützten den Reichtum der Stadt – und an einem dieser Tore stand Lot, der Sohn Harans und Neffe Abrahams, als die drei Lichtwesen Sodom erreichten.
    Ihre blasse Haut strahlte und war ohne jeden Makel – waren sie doch Teil der göttlichen Essenz –, und aus ihren Rücken ragten vier zusätzliche Gliedmaßen, die sich mit jedem ihrer Schritte ganz natürlich auf und ab bewegten und mit unzähligen Lichtpunkten gesprenkelt waren – wie leuchtende Flügel. Nackt und wunderschön und unergründlich standen sie vor Lot und erinnerten ihn allein durch ihre Präsenz daran, dass er nur ein Mensch war.
    Gabriel, Michael und Ozryel waren von Gott ausgesandt worden, um dem Stolz, dem Laster und der Grausamkeit innerhalb der Mauern Sodoms ein Ende zu bereiten. Sie waren Seine wertvollsten Schöpfungen – und Seine fähigsten Soldaten.
    Sie sollten sich zum Hauptplatz der Stadt begeben und dort auf Sein Erscheinen warten, doch Lot bekniete sie, in sein Haus zu kommen. Gabriel und Michael gaben dem Flehen nach, und auch Ozryel, der sich am meisten für die dunklen Abgründe der Stadt interessierte, willigte ein.
    Ozryel … Er war jener Erzengel, der die Stimme Gottes in sich trug, die Kraft, die beiden verruchten Städte vom Angesicht der Erde zu fegen. Er war, wie es in allen Berichten heißt, Gottes Favorit: Sein gelungenstes, allerschönstes Geschöpf.
    Lot war ein sehr wohlhabender Mann, und so richtete er ein opulentes Fest für seine Gäste aus. Wie Menschen tranken die drei Erzengel Wein, aßen saftiges Fleisch und süße Früchte und ließen sich von Lots jungfräulichen Töchtern die Füße waschen. All diese körperlichen Genüsse waren neu für sie, und sie nahmen sie mit Freude an, doch Ozryel machte eine tiefgreifende Erfahrung, die seinen Brüdern entging: Er erkannte, dass es möglich war, ein eigenständiges Individuum zu sein und nicht nur Teil der göttlichen Energie.
    Ozryel war schon viele Male auf der Erde gewesen. Er war dort gewesen, als Adam im Alter von neunhundertdreißig Jahren gestorben war, und auch, als die Männer, die Noah ausgelacht hatten, in der dunklen Flut ertrunken waren. Doch er war immer nur in geistiger Form dort gewesen, nie in körperlicher. Nicht so wie jetzt. Jetzt war er Fleisch geworden, fühlte er die feste Erde unter seinen Füßen … spürte die kühle Nachtluft auf seiner Haut … schmeckte die Früchte der Äcker und das Fleisch der Tiere … Und anstatt all das mit der Distanz eines Reisenden zu genießen, ließ er es zu, dass ihn diese Welt und ihre Bewohner immer weiter in ihren Bann zogen. Das kalte Wasser an seinen Füßen. Der süße Wein auf seiner Zunge. Und dann …
    Dann sah er plötzlich, wie sich Lots Frau, während sie gerade die Kräuter für das Bad bereitete, in den Finger schnitt. Sah ihr Blut. Seine Farbe – wie flüssige Rubine im Kerzenschein. Und der Geruch – dieser verführerische Geruch.
    In diesem Moment erklangen von draußen Stimmen. Die Männer der Stadt hatten von den geheimnisvollen Besuchern erfahren und sich mit Fackeln zu Lots Haus aufgemacht, um sich selbst ein Bild von ihrer überirdischen Schönheit zu machen. Ozryel war fasziniert von der erregten Menge, die auch Lot, obwohl er den Männern sogar seine Töchter anbot, nicht beruhigen konnte – ja, er spürte eine Energie in ihr, die der göttlichen in nichts nachstand und doch ganz anders geartet war. Natürlich waren es nur Körper, deren Fleisch eines Tages verrotten würde, aber gemeinsam erzeugten sie eine Sehnsucht, eine reine Hingabe aus purer animalischer Kraft, aus purer Lust.
    Unbemerkt stahl sich Ozryel aus dem Haus und schlich durch die schmalen Gassen, die mit Alabaster gepflastert und von Öllampen erleuchtet waren. Viel Aufhebens war um die mannigfaltigen Sünden von Sodom und Gomorra gemacht worden, doch wenig war davon zu sehen. Über etlichen Hauseingängen hingen entweder goldene oder silberne Rahmen – und nicht lange, da hatte Ozryel verstanden, dass Gold für die gewöhnlichen

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