Die Nacht - Del Toro, G: Nacht - Night Eternal (Bd. 3 The Strain Tril.)
mit Kapuze, die einen Schatten über das Gesicht warf; Jeans und Stiefel; eine Hand an der Seite, die andere hinter dem Rücken versteckt.
»Na schön, du willst es ja nicht anders!«
Eph holte mit dem Schwert aus – sein Widersacher rührte sich immer noch nicht – und schlug mit der Klinge nach dem Hals der Gestalt.
Ein lautes Klirren. Aufblitzende Funken.
Es dauerte einige Sekunden, bis Eph begriff, dass die Gestalt im letzten Moment eine Eisenstange hochgerissen und seinen Angriff pariert hatte. Er zog sich schnell zurück – seine Schwerthand zitterte noch von dem Aufprall – und griff wieder an. Und wieder traf das Silber mehrmals auf die Eisenstange, bevor ein gezielter Stiefeltritt Eph zu Fall brachte. Er schlug hart auf dem Steinboden auf, kroch ein, zwei Meter von seinem Gegner weg und starrte ihn an.
Er hatte sich diesen Vampir also nicht eingebildet. Und doch war irgendetwas anders. Der strigoi , der vor ihm stand, war keine der dumpfen Drohnen des Meisters, mit denen er es sonst zu tun hatte. Er strahlte Selbstbewusstsein, ja sogar Würde aus.
Eph rappelte sich mühsam auf. Er hatte keine Ahnung, wem er da gegenüberstand. Und es interessierte ihn auch nicht im Geringsten. »Na los!«, rief er. »Ist das alles, was du zu bieten hast?« Wieder stand die Kreatur wie festgefroren vor ihm. Eph streckte den Arm aus und zielte mit der Spitze des Schwertes auf die Brust seines Gegners. Dann täuschte er einen Ausfall an, drehte sich einmal um die Achse, wollte den Vampir in zwei Hälften schneiden. Und wieder stieß er gegen das Eisen.
Diesmal überlegte Eph nicht lange – mit einem lauten Brüllen rannte er auf den strigoi zu und schlug mit dem Schwert wie wild um sich. Was für seinen Gegner wie eine Einladung war, den Kampf zu beenden: Mit einem stählernen Griff packte er Ephs Schwerthand und verdrehte den Unterarm so stark, dass Eph in die Knie gehen musste, um zu verhindern, dass der Arm aus dem Gelenk sprang. Er schrie laut auf vor Schmerz, während ihm das Schwert aus der Hand glitt und auf den Stein krachte. Verzweifelt versuchte er mit der freien Hand das Silbermesser aus seinem Gürtel zu ziehen, als …
… ihn der Vampir ruckartig zu Boden warf und einige Schritte zurücktrat.
Völlig verdutzt blickte Eph seinen Widersacher an. Was hatte das nur zu bedeuten? Warum verschonte er ihn?
Und was er dann sah, überraschte ihn erst recht: Der strigoi bückte sich, hob das Silberschwert auf und drehte die Klinge hin und her, als würde er sie kritisch mustern.
»Aber …«
Noch nie hatte Eph beobachtet, wie ein Vampir freiwillig ein Stück Silber in die Hand nahm – von einem Schwert ganz abgesehen.
In diesem Moment hörte er eilige Schritte hinter sich, und wenige Sekunden später kamen Gus und Vasiliy den Gang hinuntergelaufen.
»Ihr kommt gerade rechtzeitig«, rief Eph. »Zu dritt können wir ihn fertigmachen.«
Vasiliy hatte sein Schwert bereits gezogen, aber Gus bedeutete dem Kammerjäger stehenzubleiben und ging dann lässig an Eph vorbei – ohne ihm aufzuhelfen – und auf die rätselhafte Gestalt zu. Der Vampir warf Gus Ephs Schwert mit dem Griff voraus zu. Der Mexikaner fing es mühelos auf und senkte die Klinge.
»Irgendwann musst du mir auch mal beibringen, wie man einen solchen Auftritt hinkriegt«, sagte Gus.
Offenbar sandte der Vampir ihm eine telepathische Antwort. Dann schlug er die Kapuze zurück, und ein haarloser, ohrenloser, nasenloser Kopf kam zum Vorschein, so kahl und glatt, als steckte er in einem Nylonstrumpf.
Nur die Augen waren von Leben erfüllt. Sie glühten rot wie die einer Ratte.
Eph rappelte sich auf und rieb sich den schmerzenden Ellenbogen. Der Kerl dort war eindeutig ein strigoi – und trotzdem stand Gus neben ihm wie ein alter Kumpel.
»Du schon wieder«, sagte Vasiliy und schob das Schwert zurück in die Scheide.
Und da brach es aus Eph heraus: »Will mir verdammt noch mal jemand erklären, was hier vorgeht?«
Gus warf Eph mit mehr Wucht als nötig das Silberschwert zu. »Erinnerst du dich nicht an Mr. Quinlan? Früher der Meisterjäger der Alten. Jetzt der gefährlichste Motherfucker, den die Stadt zu bieten hat.« Er wandte sich dem strigoi zu. »Sie haben eine Freundin von uns in eines der Lager verfrachtet. Wir wollen sie da rausholen.«
Quinlan musterte Eph, und es schien, als würde jahrhundertealtes Wissen aus seinen Augen leuchten. Und dann erklang seine Stimme, ein sanfter Bariton, in Ephs Kopf.
Doktor Goodweather, nehme ich
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