Die Nacht Der Jaegerin
hielt ihnen die Tür auf. «Es ist nicht gerade das Ritz, aber, hey ...»
«Sie kommen auch mit den widrigsten Umständen klar.»
«Da muss man erst mal an die armen Ganzkörperkondome da draußen im Schnee denken.» Bliss meinte das Spurensicherungsteam.
Merrily folgte Jane in den Salon.
«Dieser Raum gefällt mir», sagte Bliss. «Erinnert mich an die große Rede, die der Detektiv am Ende in alten Krimis hält. Wer ist der Kerl auf dem Bild über dem Kamin?»
«Sir Arthur Conan Doyle», sagte Jane tonlos. «Ben benutzt diesen Raum für seine Krimiwochenenden. Und dann wird hier genau die große Rede gehalten, die Sie eben meinten.»
Ein einzelnes dickes Holzscheit schwelte in dem Kamin unter dem bläulichen Bild des großen Autors. Vielleicht war es das gleiche Bild, das die
White Company
auf ihrer Website hatte: Doyle in mittleren Jahren, den Blick in eine unbestimmte Ferne gerichtet.
«Mr. Foley war so freundlich, uns diesen Raum zur Verfügung zu stellen – jedenfalls für den heutigen Abend. Allerdings ist es verdammt kalt hier drin.» Er trug eine alte blaue Fleece-Jacke und Jeans.
«Die Zentralheizung ist um diese Zeit schon abgeschaltet», sagte Jane und nickte in Richtung Kamin. «Und Bens Feuerholz ist grün. Er kennt sich mit Holzfeuer überhaupt nicht aus. Das ist Weichholz, das er sich aus dem Wald geholt hat.»
Bliss sah Jane neugierig an. Anscheinend war Janes Chef in ihrer Gunst ziemlich gesunken. Bliss nahm den Schürhaken und stocherte im Kamin herum. Merrily nutzte die Gelegenheit, um Jane ins Ohr zu flüstern:
«Ich komme direkt von zu Hause, klar?»
Jane nickte kurz, möglicherweise hellte sich sogar ihre Miene leicht auf, weil Mom sie ins Vertrauen gezogen hatte. Lol hatte Merrily die Sache mit der Videokamera erklärt und gesagt:
«Mach’s ihr nicht zu schwer, ja? Wie hättest du in ihrem Alter reagiert?»
«Wissen Sie, Merrily ...» Bliss hatte die Hände in die Seiten gestemmt, «ich weiß, dass Sie mit der Sache hier nur
am Rande
zu tun haben, aber nachdem Sie nun mal da sind, können Sie mir bestimmt helfen, ein paar Dinge zu klären, die ich ...
verwirrend
finde. Zum Beispiel diese Mrs. Elizabeth Pollen. Was hat es mit ihr auf sich?»
«Mrs. Pollen ist Mitglied der
White Company
», sagte Jane.
Merrily sagte: «Ich kenne Mrs. Pollen nicht persönlich, aber die
White Company
ist anscheinend eine Spiritistengruppe, die Arthur Conan Doyles Suche nach Beweisen für ein Weiterleben nach dem Tod fortsetzen will.»
«Danke. Brauchen wir denn dafür Beweise, Merrily? Sie und ich?» Bliss rieb sich die Hände und ging hinüber zum Erker, in dem ein Schreibtisch aus Mahagoni stand. Rechts und links von dem Schreibtisch standen Holzstühle. «Nein», sagte er, «setzen wir uns lieber ans Feuer. Deine offizielle Aussage kommt später, Jane. Jetzt unterhalten wir uns erst mal ganz gemütlich.»
Mutter und Tochter setzten sich auf ein Sofa. Und Merrily, die Bliss viel zu gut kannte, wurde unruhig, denn wenn es etwas gab, was für Bliss bei einer Ermittlung vollkommen untypisch war, dann war es eine
gemütliche Unterhaltung.
Merrily wusste nur, dass es auf den Stanner Rocks gebrannt hatte und dass anschließend eine Leiche gefunden worden war. Und zwar von Jane, das war das Problem.
Merrily spürte einen kalten Luftzug an den Knöcheln. Sie trug immer noch Janes Dufflecoat, die Finger hatte sie auf den Knien in ihre Wollmütze gesteckt. Durchs Fenster sah sie jemanden den Parkplatz in Richtung Veranda überqueren: Gomer, auf dem Rückweg von einem kleinen Gespräch mit einem Polizisten oder einem Feuerwehrmann. Es gab immer irgendwen, den Gomer seit Ewigkeiten kannte.
«Also», sagte Bliss. «Was hast du denn an so einem Abend am Fuß der Stanner Rocks gemacht, Jane?»
Jane zuckte mit den Schultern. «Wir haben das Feuer oben auf dem Gipfel entdeckt.
Ich
habe das Feuer entdeckt. Von der Küche aus. Und Ben und Mrs. Pollen wollten nachschauen gehen.»
«Und warum bist du auch rausgegangen?»
«Weil ...» Jane seufzte. «Weil ich ihnen geholfen habe, einen Videofilm zu drehen. Über Stanner Hall und ... so weiter. Es hat ziemlich dramatisch ausgesehen. Und ich hatte die Kamera dabei.»
Merrily beobachtete Jane. Die Kamera lag auf ihren Knien. Sie war kleinlauter, als Merrily sie in Bliss’ Gegenwart je erlebt hatte, der bei anderen Gelegenheiten ihre schlimmsten Seiten zum Vorschein gebracht hatte. Merrily spürte, dass Jane etwas zurückhielt. Beweise?
Bliss legte
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