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Die Nacht Der Jaegerin

Die Nacht Der Jaegerin

Titel: Die Nacht Der Jaegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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eine blöde Situation reingerutscht war, konnte man schließlich nicht einfach klein beigeben, oder? Man musste sein Gesicht wahren. Es war wie bei einem kleinen Kind, das immer weiterrannte, obwohl ihm schon schwindelig war und obwohl es wusste, dass es unweigerlich irgendwann auf die Nase fallen würde.
    Jane stieß mit dem Fuß an etwas sehr Hartes, stolperte und stützte sich beim Fallen automatisch mit den Händen im Schnee ab.
    Als sie wieder aufblickte, überkam sie beim Anblick der Stanner Rocks beinahe so etwas wie Ehrfurcht. Die Felsen sahen aus wie ein weißgeflecktes Gesicht. Und das Areal, auf dem der Steinbruch gewesen war, bevor man die Bedeutung dieser Felsformation erkannt hatte, sah aus wie eine Wunde. Die Felswand ragte steil über ihr empor wie eine verfallende Kathedrale. Oben sah Jane keine Flammen mehr, keinen bernsteinfarbenen Widerschein, nur das milchige Mondlicht über dem Schnee. Und sie hörte ein feuchtes, saugendes Geräusch.
    Und dieses Geräusch
stammte nicht von ihr.
    Diese Erkenntnis überkam Jane wie ein Schock, als sie dort schutzlos im Schnee hockte. Und dann nahm sie außer dem Geräusch noch etwas anderes wahr. Es war ganz nah bei ihr, es schlich herum, mit einem tiefen, kehligen Hecheln, mit der geballten Kraft angespannter Muskeln, die beinahe in der Luft vibrierte, und mit einem schwachen, rohen, wilden Geruch, einem Geruch, der an den Sinnen riss wie Stacheldraht.
    Jane erstarrte einen Moment und krümmte sich gleich darauf wie ein Igel zusammen. Irgendwo tief in ihrem Inneren rollte eine eiskalte Kugel herum. Und auch wenn sie das Gefühl hatte, sich nicht mehr bewegen zu können, so brach dennoch ein Schrei aus ihr heraus, wie bei einem Tier in Todesangst.
    Und als sie sich tief in den Boden drückte, um einen zweiten Schrei zu unterdrücken, wurde es um sie herum mit einem Mal hell.
    «Lieber Gott
im Himmel
!» Eine behandschuhte Hand tauchte in dem Licht auf. «Was ist denn los mit dir?»
    «O Gott.» Jane kauerte zitternd auf dem Boden.
    «Bist du verletzt?» Beth Pollen wirkte riesig in ihrem Schafsfellmantel, und ihre Stimme klang erwachsen, selbstbewusst und mutig.
    «Haben Sie das nicht gehört?»
    «Also
du
warst auf keinen Fall zu überhören.»
    «Haben Sie das nicht
gespürt

    «Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, wie es deine Mutter mit dir aushält», sagte Beth Pollen ärgerlich.
    Jane stand auf, achtete darauf, im Licht zu bleiben, und hielt sich weiter an Mrs. Pollens dickem Schafsfellärmel fest, den sie nicht, unter keinen Umständen, loslassen würde.
    «Wo zum T...» Jane spürte, dass ihre Zunge an der Stelle anzuschwellen begann, an der sie daraufgebissen hatte. «Wo ist Ben?»
    «Runter zur Straße, um auf die Feuerwehr zu warten. Er musste gar nicht ganz hochsteigen, um zu sehen, was passiert ist.»
    «Was war es denn?»
    «Dieses alte Wohnmobil, das von allen möglichen Leuten zu allen möglichen Zwecken benutzt wird. Irgendein Idiot ist auf die grandiose Idee gekommen, es in Brand zu stecken, und dabei ist der Tank explodiert. Ben glaubt nicht, dass jemand drin war, und wenn ... Komm, wir gehen zu ihm runter, hier können wir ohnehin nichts machen.»
    «
Nein
 ...»
    «Jane, es ist sehr kalt, und ich ...»
    «Also haben Sie es nicht gehört, oder?»
    Beth Pollen sah Jane genau an. «Wovon reden wir hier eigentlich gerade?»
    Jane hielt sich mit beiden Händen an Mrs. Pollens Arm fest. Sie befanden sich auf dem Grund des ehemaligen Steinbruchs, zwischen der eingeschneiten Umgehungsstraße und dem steilsten Felsabbruch der Stanner Rocks, die über ihnen etwa dreißig Meter bis zum Gipfelplateau und dem dahinterliegenden Wald anstiegen.
    In der Ferne wurden Sirenen hörbar. Die Feuerwehr. Die reale Welt. Jane ließ Beth Pollens Arm los. Ihr fiel auf, dass sie zum ersten Mal mit dieser Frau allein war. Bei allen anderen Gelegenheiten war jemand dabei gewesen ... Ben oder jemand von der
White Company
, und in diesem Verein war Mrs. Pollen vermutlich das ... normalste Mitglied.
    «Kennen Sie ... meine Mutter?»
    «Ich weiß, wer deine Mutter ist», sagte Mrs. Pollen.
    «Es ist nur, dass Amber gesagt hat, Sie würden sich vielleicht gern einmal mit ihr unterhalten.»
    «Das hat sie gesagt?»
    «Bevor Sie ...
Was ist das
?» Jane klammerte sich wieder an Mrs. Pollens Arm.
    «Es klingt, als würde die Feuerwehr endlich kommen. Was ist bloß los mit dir?»
    «Nein ...» Jane zog Mrs. Pollens Arm herum, sodass die Taschenlampe in

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