Die Nacht der Schakale
Nachfolgeorganisation Central Intelligence Agency (CIA) in bunter Reihe Hochs und Tiefs, Hits und Flops erlebt, aber Gregory war unangefochten durch die Skandale Kuba, Vietnam, Chile und sogar Watergate gekommen, und genauso würde er wohl auch den Falkland-Konflikt, den israelischen Einfall im Libanon und den irakisch-iranischen Grenzkrieg überleben, zumal er nichts damit zu tun hatte.
»Nun beenden Sie schon Ihren balinesischen Abschiedsschmerz, Lefty«, spottete der Vice. »Ich hab Sie ja nicht wegen einer Laune oder Lappalie in unser Headquarter gebeten.« Einen Moment lang betrachtete er mich wie ein Waidmann das durch Blattschuß erlegte Wild. »Ich spüre, daß ein Fall auf uns zukommt, der jede Dimension sprengt, und ich denke, daß wir bei der Klärung Sie hinzuziehen müssen, auch wenn Sie sich Ihre Laufschuhe bei uns bereits aufgeschnürt haben sollten. Wir bieten Ihnen eine Chance, Ihre tadelsfreie Karriere durch einen einmaligen Coup zu krönen«, lockte Gregory, griff mit welken Händen nach einem Dossier und zeigte mir den Köder vor wie einem Hund die Wurst: »Erinnern Sie sich noch an den Fall Guillaume?« fragte er überflüssig.
»Und ob«, erwiderte ich. »Der Spion, der einen deutschen Regierungschef stürzte. Ein Maulwurf im Bonner Bundeskanzleramt.«
»Es sieht so aus, als erlebten wir gerade eine Neuauflage.« Über sein von den Jahren angefressenes Gesicht lief ein Lächeln wie Salzsäure. »Diesmal allerdings mit umgekehrten Vorzeichen. Darauf habe ich jahrelang gewartet.«
»Ein Maulwurf auf der anderen Seite?« fragte ich überrascht. »In Ost-Berlin?«
»Sieht so aus.«
»Wo? In der Regierung? Im SED-Zentralsekretariat?«
»Jedenfalls ganz oben.« Mit diesen Worten umschrieb Gregory offensichtlich, daß er es selbst noch nicht wußte.
Klappern gehört zum Handwerk, freilich klapperte ein Mann wie er sonst viel verhaltener. Er schlug das Dossier auf und las die Unterlagen, als kenne er sie nicht schon längst auswendig. Er schnitt dabei ein Gesicht wie ein Voresser, der einem widerspenstigen kleinen Jungen den Lebertran schmackhaft machen möchte. Aber mit 43 war ich den Kinderschuhen längst entwachsen und zudem entschlossen – koste es, was es wolle –, auf die Insel der Götter und Dämonen zurückzufliegen und meinen Urlaub fortzusetzen.
Gregory würde es mir nicht leichtmachen, aber selbst er müßte einsehen, daß ich mich drei Wochen vor dem Ausscheiden aus seinen Diensten nicht noch verschleißen lassen wollte. Von privaten Gründen einmal ganz abgesehen, müßte eine Panne – kurz vor Torschluß – auch meine neue Tätigkeit als Diplomat bei der Bonner US-Botschaft in Mehlem gefährden.
Ich machte mich auf einen harten Schlagabtausch gefaßt und war doch schon zu diesem Zeitpunkt in die Operation ohne Namen verstrickt, später sollte sie die Presse als Die Nacht der Schakale bezeichnen, während sie bei uns hausintern weiterhin die Operation No Name blieb und auf der anderen Seite der Fall Sperber hieß.
Der Mann, der mir – damit ich ja keine Zeit versäumte – bei seinem nächtlichen Anruf bereits die Abflugzeit der nächsten Maschine vom Airport Ngurah Rai, südlich der Bali-Hauptstadt Denpasar, genannt hatte, benahm sich jetzt, als sei ich nur gerufen worden, ihm in seinem Büro im siebten Stock eines 65-Millionen-Dollar-Komplexes zuzusehen, wie er – entsprechend seiner Gewohnheit – Sägeböcke und Fragezeichen in das Dossier malte.
Daß ich ihm hier gegenübersaß, war die Folge eines ziemlich ungewöhnlichen Lebenslaufs. Als Siebenjähriger nach dem Zweiten Weltkrieg (natürlich ungefragt) mit meinen Eltern in die USA ausgewandert, hatte ich nur noch wenige Erinnerungen an meine frühe Kindheit in Ostpreußen und dann später auf der Ostseeinsel Peenemünde. Königsberg, die Stadt Immanuel Kants, des vielleicht größten deutschen Philosophen, der einst den kategorischen Imperativ formuliert hatte, Ostpreußens Kleinod mit der berühmten Albertus-Universität, heißt heute Kaliningrad und gehört zur Sowjetunion. Revanchegelüste liegen mir ebenso fern wie Kreuzzugsgedanken, aber ich empfand es als den kategorischen Imperativ unserer Zeit, zu verhindern, daß ganz Europa eines Tages das Schicksal meiner Heimatstadt teilen müßte.
Mein Vater hatte während des Krieges zur Crew des Raketenforschers Wernher von Braun gehört und war bei Kriegsende nebst Familie in die Staaten geschanghait und später dort eingebürgert worden. Er hätte sich
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