Die Nacht der Schakale
auf der Defensivseite. Der gewaltige Desinformationsschlag, zu dem Lupus ausgeholt hatte, war ins Wasser gefallen. Er mußte schleunigst seine Agenten aus dem Ausland abberufen, und viele von ihnen wurden zuvor von den westlichen Sicherheitsorganen gefaßt.
Ich wollte mich mit Vanessa aus Oberursel zurückziehen, aber Lipsky hatte ein besonders Vertrauensverhältnis zu uns, und so wurden wir weiterhin benötigt. Phimoses war zwar auf das westliche Angebot eingegangen, aber er erwies sich als alles andere denn ein gekauftes Subjekt.
Er mußte behutsam behandelt werden.
Vierzehn Tage später erfuhren wir, daß Konopka in Untersuchungshaft versucht hatte, sich zu erhängen; er war gerade noch rechtzeitig abgeschnitten worden, hatte aber eine unheilbare Gehirnschädigung erlitten. Es war General Lupus nur recht; nunmehr konnte er behaupten, der verdiente Genosse müßte wegen einer plötzlichen Erkrankung vorzeitig pensioniert werden. Noch war fraglich, ob Bevaujot die Affäre Sperber überstehen würde; bliebe er im Amt, würde er BND und CIA, dessen war ich mir sicher, die Schlappe eines Tages wieder heimzahlen.
Die Nacht der Schakale war zu Ende. Zwei Wochen später flog ich via Washington ins Headquarter nach Langley, um vom alten Gregory verabschiedet zu werden. Er saß an seinem Schreibtisch und löffelte aus einem Pappbecher mit verzücktem Gesicht Cottage Cheese; er fuhr sich wiederholt mit der Zunge über die Oberlippe, es war die einzige Bewegung in einem steinalten Gesicht.
»Gratuliere, Lefty«, sagte er, »Sie haben mich nicht enttäuscht. Wünschen sie eine öffentliche oder eine stille Verabschiedung?« fragte er.
»Eine schnelle«, erwiderte ich.
»Ein Posten ist noch unbereinigt«, stellte der Vice fest. »Sie sind ja vom Fach, da brauche ich nicht viel zu erklären – aber jetzt müssen Sie es erfahren.« Ich wunderte mich, daß er Umwege einschlug. »Barry Wallner ist gar nicht mit dem Flugzeug abgestürzt; er hatte lediglich mit uns eine Absprache getroffen und sich zum Schreiben in die Wüste zurückgezogen.« Er tastete mich vorsichtig ab. »Er wartet nur noch auf Ihren Bericht, um seiner Arbeit den letzten Schliff …«
»Bedaure, Sir«, erwiderte ich. »Ich habe nichts mit Barry abgesprochen.« Ich räkelte mich betont lässig auf dem Stuhl. »Ich nehme das volle Copyright für mich in Anspruch.«
Der Vice wurde ärgerlich.
Dann lächelte er unvermittelt.
Vielleicht überlegte er bereits, wie er auch noch den cleveren Barry hereinlegen könnte – mit meiner Hilfe, so wie er mich zuvor mit Barrys Hilfe ausgetrickst hatte. »Wenn Sie sich querlegen«, sagte er dann, »so kann ich es nicht ändern. Sie sind ein freier Mann. Well, leben Sie wohl. Ihr Urlaub über das State Department geht übrigens in Ordnung.«
»Verzichte«, entgegnete ich. »Ich werde den neuen Job nicht antreten.«
Gregory schüttelte den Kopf. »Sie sind doch wohl übergeschnappt, Lefty«, erwiderte er. »Ich ebne Ihnen die Wege und Sie spielen hier den Aussteiger.«
»Ich möchte nicht in Verlegenheit kommen, eines Tages im Kofferraum Menschen über eine Grenze schmuggeln zu müssen«, antwortete ich.
»Das war doch Ihre Idee«, fuhr er mich an.
»Eben«, entgegnete ich. »Aber meine letzte. Das Abschiedsgeschenk.«
»Sie schlagen eine solche Karriere aus?«
»Ich bin es leid, mich täuschen, manipulieren und herumschubsen zu lassen.«
»Sie müssen wirklich verrückt sein«, sagte der Alte verständnislos. »Was wollen Sie eigentlich anfangen?«
»Weiß ich noch nicht. Jedenfalls werde ich künftig auf Seite der Leute stehen, die dem Staat auf die Finger sehen, statt sich die Finger für den Staat zu verbrennen.«
»Und Sie meinen, ich lasse einen Geheimnisträger wie Sie einfach so davonschwimmen?«
»Davon bin ich überzeugt, Sir«, versetzte ich. »Ich habe meiner Frau eine Zusammenstellung übergeben …«
»Ihrer Frau?« unterbrach mich der Vice.
»Entschuldigung«, sagte ich. »Ich habe geheiratet und soll Sie grüßen – von Vanessa, Madge oder Cynthia. Suchen Sie den Namen aus, der Ihnen am besten gefällt, Sir.« Ich erhob mich. »Ich mach' es genauso.«
Das Gesicht des großen Gregory entschädigte mich für elf Jahre, in denen er mich nach Gutdünken auf den Straßen des Untergrunds hin und her geschoben hatte.
Ich war in Eile, denn ein Hubschrauber brachte uns nach "Washington zurück, von wo aus Vanessa und ich in die Flitterwochen starteten.
Natürlich nach Bali, auf die Insel
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