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Die Nacht der Schakale

Die Nacht der Schakale

Titel: Die Nacht der Schakale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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mich.
    »Kalt«, entgegnete ich. »Kalt wie die Leiche in einer Gletscherspalte.«
    »Aber du lebst doch noch«, versetzte George in seiner arroganten Masche.
    »Die Absicht besteht«, gab ich es ihm heraus.
    Wir hätten in diesem Moment wohl sicher beide gerne einen Doppelstöckigen gekippt, aber Siege soll man erst feiern, wenn man sie errungen hat.
    »Du bist der Boss«, behauptete George. »Sag mir, was auf dem Programm steht, und ich lass die Puppen tanzen.«
    »Zuerst mal muß Vanessa weg«, setzte ich an.
    »Schon in der Mache«, erklärte er.
    »Und zwar noch vor Lipsky«, sagte ich drohend und stellte mich der Kontroverse.
    »Selbstverständlich«, ließ mich der Blonde ins Leere laufen. »Ladies first. Schließlich sind wir Gentlemen.«
    »Wie?« fragte ich.
    »So«, erwiderte er, ging zum Gepäckraum, ließ einen Kofferdeckel aufspringen; er enthielt eine knallrote, schreckliche Perücke und eine Uniform für einen weiblichen Leutnant der US-Army. »Cynthia zieht das an. Meixner bringt sie in einem Lieferwagen weg, unterwegs steigt sie um in einen Jeep und rollt mit drei anderen US-Offizieren auf Sightseeing-Tour auf die eigene Seite der Stadt zurück.«
    »Und ein weiblicher Leutnant bleibt für sie im Sektor?«
    »Klar«, antwortete George. »Wir wollten diese Lady sowieso vorübergehend hier unterbringen.«
    »Einverstanden«, entgegnete ich. »Nun zu Lipsky. Ich nehme an, dein Cabrio hat Niveau-Ausgleich?«
    »Hat es«, bestätigte George.
    »Und der Kofferraum ist groß genug für etwa fünfundsiebzig Kilo Lebendgewicht?«
    »Wenn sich das Lebendgewicht zusammenkrümmt, wird es gehen«, antwortete George. »Ich soll also Lipsky als blinden Passagier befördern.«
    »Im Moment die einzige Möglichkeit«, erwiderte ich. »Die Vopos und Grepos dürfen, laut Viermächtestatut, das Gepäck eines Amerikaners nicht kontrollieren.«
    »Die Vopos und Grepos nicht einmal die Pässe«, verbesserte er mich. »Nur die Sowjets. Aber ich habe eine CD-Nummer, und nach den internationalen Abmachungen darf Diplomatengepäck nicht gefilzt werden.«
    »Und sie halten sich daran?«
    »In der Regel schon«, versicherte er gedehnt. »Frag mich nicht, was diese KGB-Leute alles per Diplomatengepäck verschicken – aber wenn sie natürlich Verdacht schöpfen, haben sie nicht die geringsten Hemmungen, dich auch am Checkpoint Charlie bis aufs Hemd auszuziehen.«
    »In so einem Fall lassen sie es also auf einen US-Protest ankommen?«
    »Verlass dich drauf, Fellow.«
    Wenn die Sowjets einen Stasi-Funktionär in einem Diplomatenwagen fänden, würden die Amerikaner auf jeden Protest verzichten und die Fluchthilfe als Übergriff eines US-Beamten hinstellen, der dafür auch von ihnen zur Rechenschaft gezogen werden müßte.
    »Würdest du es wagen, George?« fragte ich.
    »Ich muß Hellseher sein«, antwortete er. »Seit gestern Mittag hatte ich die gleiche Vorstellung …« Er nickte mir zu. »… dir zuliebe.«
    Wir begannen, den Cabrio-Kofferraum mit Hilfe von Decken wohnlich zu machen. Wir kamen damit zu schnell zu Rande, denn ab jetzt folterte uns die Zeit.
    »Vor vierzehn Uhr können sie gar nicht hier sein«, versuchte mich George zu beruhigen, aber er wurde jetzt selbst ein wenig unruhig.
    Wir maßen die Zeit jetzt mit Hilfe von Zigarettenkippen.
    Ich wollte in das Hauptgebäude hinübergehen.
    »Bleib hier«, sagte George. »Meixner paßt schon auf.«
    Er schaltete das Autoradio ein, und wir hörten in einer Direktübertragung eine dieser idiotischen Begrüßungsansprachen, in denen sich ein Staat beweihräucherte, dem 3,1 Millionen Menschen davongelaufen waren, davon über eine halbe Million noch nach dem Bau der Mauer. Sie hatten sich durch die Grenze gegraben oder sie mit Lastwagen durchbrochen, hatten sich mit ihren Kindern in einem selbstgebauten Ballon mit dem Wind nach Westen tragen lasen oder Flugzeuge entführt, obwohl sie damit rechnen mußten, daß sie dafür auch im Westen eingesperrt würden.
    Es gab hundert Arten, trotz des Schießbefehls in den Westen zu entkommen, aber eine war gefährlicher als die andere. Nicht selten machten DDR-Bürger in östlichen Bruderländern Urlaub und versuchten sich dann mit gefälschten Papieren von Prag, Budapest oder Sofia aus ins neutrale Ausland abzusetzen. Vielen, vor allem jüngeren Menschen des kleineren Deutschland ging es gar nicht darum, ihre Heimat zu verlassen und im Westen zu bleiben, sie wollten ihn nur besuchen dürfen wie ihre Verwandten auf der anderen Seite,

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