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Die Nacht der Schakale

Die Nacht der Schakale

Titel: Die Nacht der Schakale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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ein, in Ihrem Wagen mitzufahren, den Sie selbst chauffieren«, fuhr ich fort. »Unterwegs werden Sie in einem Luxusrestaurant auf Stasi-Spesen mit Frau Doktor Pahl zu Mittag essen. Sie überzeugen sich, daß Sie keine Verfolger haben – und sind dann auf einmal nicht mehr zu sehen. Wir treffen uns an einem Punkt in der Stadt, den Ihnen Cynthia nennen wird. Von hier aus schaffen wir Sie – sagen wir mal – in spätestens dreißig Minuten auf die andere Seite.«
    »Wie?«
    »Das«, antwortete ich gedehnt, »erkläre ich Ihnen rechtzeitig vor der Abfahrt bei unserer morgigen Zusammenkunft. Sie verstehen das doch? Oder wollen Sie mit einem Dilettanten arbeiten?«
    Ludwig Lipsky schwieg.
    Er starrte zu Boden.
    In seinem Gesicht gärten die Gedanken, ohne sich zu verraten.
    »Wein? Schnaps? Tee? Kaffee?« fragte Cynthia geschäftig nach Hausfrauenart.
    »Kaffee, bitte«, erwiderte er und sah mich an. »Wer in dieser Branche einem anderen traut, ist ein blöder Hund«, sagte er.
    »Ich traue Ihnen«, erwiderte ich.
    »Vielleicht sind Sie deshalb ein blöder Hund«, versetzte Lipsky.
    »Wauwau«, sagte ich.
    Wir lachten beide.
    Das Eis war gebrochen.
    »Und diesen Red Spot auf Ihrem Hosenladen lasse ich Ihnen auch wegzaubern«, sagte ich. »Betrachten Sie das als mein persönliches Geschenk.«
    Er erstarrte einen Moment. »Wie?« fragte er dann.
    »Risikolos«, versprach ich. »Vielleicht brauchen wir nicht einmal zur Mayo-Klinik zu fliegen.«
    »Gut«, sagte er. »Ich nehm' Sie beim Wort.«
    Ich wußte, daß Lipsky damit die kleine und die große Operation meinte. Er taute richtig auf, trank drei Tassen Kaffee. Ein kleines menschliches Gespräch über Banalitäten des Alltags tat ihm gut. Zwischendurch fragte er sogar noch einmal nach Kalbitzer. Ich gestand, daß ich den Installateur persönlich nicht kannte, sonst aber alles zuträfe.
    »Genug geplaudert«, sagte Phimoses. »Ich stelle mich jetzt Ihren Fragen.« Er lächelte mit seinem schiefen Mund. »Oder haben Sie keine?«
    »Und ob«, schoß ich los. »Was ist mit Konopka?«
    »Verhaftet. Er wollte Verrat begehen, gegen sehr viel Geld. Er ist aufgefallen und wurde von Lupus hereingelegt.«
    »Das ist einleuchtend«, versetzte ich. »Und der Name Sperber?«
    »Eine Erfindung von Konopka. Der Sperber soll weitergespielt werden, nunmehr von Herbert Brosam.«
    »Dem Genossen Kammgarn«, erwiderte ich. »Was soll er dem Westen anbieten?«
    Wir hatten den kritischen Punkt erreicht:
    Die Frage, um die sich alles drehte.
    »Material, das ich zusammengestellt habe. Auf Befehl natürlich.«
    »Und?«
    »Eine Liste, halb und halb, vierzig, fünfzig echte Agenten, die für uns arbeiten, sollten geopfert werden, um ein paar Dutzend führende Leute der Bundesrepublik, Generale, Industrielle, Spitzenbeamte, Politiker, Wissenschaftler, Bankiers und Gewerkschaftler der Kollaboration mit dem Osten zu beschuldigen. Das Material ist erstklassig, die Scheinbeweise wirken verblüffend. Kein Mensch könnte auf Anhieb Wahrheit und Dichtung unterscheiden. Ich bin sicher, daß man damit schlagartig Bonn regierungsunfähig, die NATO weitgehend lähmen und auch die Amerikaner restlos verunsichern kann.«
    Ich hatte es mir so vorgestellt. Aber jetzt liefen mir Eisstückchen den Rücken entlang. Natürlich würden die Unschuldigen mit der Zeit den Rufmord revidieren können; aber seit den alten Römern hat sich an dem Sprichwort nichts geändert: Semper aliquid haeret – Es bleibt immer etwas hängen.
    »Lupus hätte also seine eigenen Leute geopfert. In so großer Zahl? Wie finden Sie das eigentlich, Herr Lipsky?«
    »Beschissen, aber üblich«, versetzte er. »Ich will Ihnen mal was sagen, Meiler: In erster Linie widert mich meine Familie an und in zweiter meine Krankheit. Aber diese Menschenverachtung hat mir den Rest gegeben. Unter den Leuten, die verpfiffen werden sollten, waren auch gute Freunde von mir.« Lipsky stand auf. »Sie können mir das glauben oder nicht«, sagte er beim Abschied. »Ich wage morgen mit Ihnen den Versuch.«
    Ich reichte ihm die Hand.
    Ich hielt Lipsky für keinen üblen Kerl; aber das war vielleicht voreilig. Irgendwie schien er tatsächlich unter dieser geheimdienstlichen Manipulation zu leiden. Es erklärte auch, warum er sich mit meinem Wort begnügte und auf weitere Sicherungen verzichtete. Keiner außer ihm konnte auf Anhieb in dem Sperber-Programm Spreu und Giftweizen unterscheiden. Er brachte etwas mit, dessen Wert nur er genau kannte. Ohne ihn ging

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