Die Nacht der Schakale
ihn die Sowjets vor 38 Jahren eingekauft hatten, sollten diesmal die anderen auslöffeln.
Er erreichte den Flughafen, stellte seine Limousine auf den bewachten Privilegiertenparkplatz, wurde erkannt, gegrüßt. Dann ging Lipsky zur Prominententribüne weiter. Der östliche Großflughafen machte der westlichen Konkurrenz schwer zu schaffen, drohte Tegel bankrott zu machen, weil nicht nur die Gastarbeiter die billigen Interflug-Reisen nutzten.
Phimoses sah die westdeutsche Delegationsrätin schon von weitem auf der Diplomatentribüne, umgeben von einem halben Dutzend geschniegelter Attaches – Kuba schätzten die ausländischen Botschafter offensichtlich nicht so hoch ein wie sowjetische, französische oder englische Staatsbesucher, denn von den westlichen CD-Leuten war fast nur die zweite oder dritte Garnitur erschienen. Die östlichen vollzählig, wie immer ein Einheitsblock, wenn auch ein recht unterschiedlicher, denn die deutschen Musterzöglinge der Sowjets betrachteten den ungarischen Gulaschkommunismus mit Neid und die polnischen Freiheitsregungen mit Entsetzen.
Lipsky sah den Vopo-Hauptmann Lindenschmitt und winkte ihn zu sich heran. Der Mann wollte strammstehen, aber der Stasi-Gewaltige ließ es nicht dazu kommen. »Bauen Sie hier bloß kein Männchen«, sagte er lachend. »Passen Sie auf, Genosse Lindenschmitt, Sie leiten doch die Überwachung dieser BND-Legationsrätin?«
»Jawohl, Genosse Lipsky.«
»Ich vertraue Ihnen jetzt ein Staatsgeheimnis an: Sie wird heute Mittag um Asyl in der Deutschen Demokratischen Republik ersuchen und anschließend in einer Pressekonferenz ihre Gründe dafür erklären.« Er sah, daß er den Vopo-Offizier völlig durcheinandergebracht hatte, und setzte leutselig hinzu: »Da staunen Sie, was? Ja, wir sind im Kommen, Genosse Lindenschmitt. Ich vertrete den Genossen Sabotka. Sowie der Zauber hier vorbei ist, werde ich unsere neue Genossin zum Mittagessen einladen, von da ab ist jede Beschattung überflüssig. Sie verstehen? Befehl von General Lupus.«
»Jawohl, Genosse Lipsky«, erwiderte der Hauptmann stramm, und Phimoses näherte sich den Regierungsleuten.
Sie wunderten sich, ihn hier zu sehen. Die Eingeweihten wußten natürlich längst, daß dieses Arbeitstier jetzt auch noch Sabotka vertrat. Er sah Cynthia Pahl an, die ihm in fünfzig Meter Luftlinie gegenübersaß; sie nickte ihm fast unmerklich zu.
Ein paar Minuten zu früh landete auch schon die Iljuschin-Maschine. Die Gangway wurde herangefahren, der rote Teppich ausgerollt, die Nationalhymnen intoniert. Es herrschte profane Feierlichkeit. Stechschritt. Hohlkreuz. Tuchfühlung. Die roten Preußen wirkten beängstigend in ihrer Zackigkeit und auch ein wenig lächerlich mit ihren russischen Stahlhelmen. Das Staatsbewußtsein feierte die DDR-Existenz bombastisch, mit Exzellenzen und Prominenzen, Generalen und Jubeljugend.
Cynthia verfolgte, wie die exotischen Staatsgäste die Ehrenformation abschritten, ausdruckslose Gesichter, Soldaten, gedrillt wie Zirkuspferde. Ob im Osten oder im Westen, die junge Frau fand es entwürdigend, daß 120 oder 150 Männer, ausgerichtet in einer Reihe, ihre Dressur vorführen mußten, nur weil irgend so ein Staatsarsch vor der Kamera posierte und dabei meistens auch noch eine schlechte Figur machte.
Kurz nach 13.00 Uhr war der erste Teil des Staatsaktes ausgestanden. Die kubanischen Gäste fuhren ins Rathaus, um sich ins Ehrenbuch einzutragen.
Mehrere Herren der Diplomatenriege machten sich erbötig, ihre hübsche Kollegin im Wagen in die Stadt mit zurückzunehmen.
Da trat einer an sie heran, mit dem keiner gerechnet hatte: Ludwig Lipsky, der Mann mit dem Red Spot. Man traute einem so ungehobelten Burschen zu, sie einfach in Beschlag zu nehmen, aber man wunderte sich, daß Dr. Cynthia Pahl mit ihm wegging, wiewohl auch im Osten die westlichen Diplomaten darauf bedacht waren, Distanz zu wahren.
Regierungsmitglieder, Parteifunktionäre und Mitglieder des diplomatischen Korps verfolgten ein wenig konsterniert, wie dieser Rüpel der Legationsrätin den Wagenschlag aufhielt und sie in seine SIM-Limousine zustieg. Lipsky genoß die Szene offensichtlich, sein letzter Auftritt in der Ostberliner Öffentlichkeit war auch sein größter – wenn man vom gemeinsamen Mittagessen im Restaurant des Palast-Hotels an der Karl-Liebknecht-Straße absah.
»Sie leben doch schon ein Jahr in Ost-Berlin«, sagte Lipsky. »Welchen Eindruck macht eigentlich unsere Republik auf Sie?«
»In vielen
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