Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht der Uebergaenge

Die Nacht der Uebergaenge

Titel: Die Nacht der Uebergaenge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
Vom Netzwerk:
die Riten der Immaculate aufzuklären
und sich mit ihr über ihre Erfahrungen auszutauschen.
Nico war der festen Überzeugung, dass Catalina völlig zu Recht zur Devena
ernannt werden würde, auch wenn sie selbst große Zweifel hegte, je mehr sie
über die Aufgaben erfuhr, die auf sie zukamen. Sie empfand tiefe Bewunderung
für die einstige Jägerin, deren Leben auch schon vor ihrer Flucht eine einzige
Qual gewesen sein musste.
    Ihr Herz klopfte vor Aufregung zum Zerspringen, als die Türen zu dem
großen Saal aufglitten, hinter denen sie ihre erste Prüfung vor den Augen der
Immaculate ablegen musste. Da sie noch ein Mensch war, konnte Nico die
Gesichter der Zuschauer nicht richtig erkennen. Allerdings sah sie die rot
leuchtenden Augenpaare wie tausend kleine Lichter in der Dunkelheit tanzen.
Jeder Immaculate hatte seine extrasensorischen Fähigkeiten aktiviert, weil es
Teil der Zeremonie war.
    Nico war froh, dass sie Mélusina bei sich hatte, deren Nähe sie
beruhigte. Sie durfte jetzt keinen Fehler machen, der nur auf die Devenas
zurück fallen würde. Und dann geschah es… Plötzlich blitzten Lichter unter den
Zuschauern auf, die sich als materialisierte Geister herausstellten. Damit
hatte sie nicht gerechnet, weil ihr eigener Schutzgeist selbst noch nie bei
einer solchen Zeremonie anwesend gewesen war. Sie waren überall. Die Seelen der
verstorbenen Immaculates, die zu bestimmten Anlässen ihre schützende Hand über
ihre Nachfahren hielten. Nico verharrte einen Moment sprachlos auf dem mit
roter Seide ausgelegten Gang zum Altar und sah sich mit großen Augen um.
    Sie sah lauter lächelnde Gesichter und einer der Geister machte eine
aufmunternde Geste in Richtung Altar, so dass Nico sich zusammenriss und wieder
begann, einen Schritt vor den anderen zu setzen.
Die Geister verschmolzen schließlich wieder mit der Dunkelheit, so dass Nico
wiederum in Düsternis gefangen war und den Weg mehr spürte als sah.
Einen Schritt nach dem anderen, langsam und bedächtig, ihr folgten schließlich
die beiden Devenas gemessenen Schrittes, als würden sie wie Bräute zum Altar
schreiten. Obwohl sich Nico sicher war, dass sich zumindest eine von ihnen
fühlen würde wie ein Vieh, das zur Schlachtbank geführt wird…
    Nico war trotz ihres Wissens um die Zeremonie überaus nervös, weil sie
so viele Augen auf sich ruhen spürte. Unter ihren nackten Fußsohlen spürte sie
die zarte Seidenbahn, deren Farbe sie im Dunkeln nicht erahnen konnte. Sie
wusste nur, dass sie dunkelrot war, weil sie beim Öffnen der Tür einen kurzen
Blick darauf erhascht hatte. All ihre Sinne waren zum Zerreißen gespannt, sie
spürte die Anwesenheit der anderen wie das Krabbeln von tausenden Insektenfüßen
auf ihrer Haut.
    Instinktiv wusste sie, wann sie die Worte der alten, fremden Sprache
flüstern musste, die sie gestern und heute den ganzen Tag lang noch gelernt
hatte. Eine der Helferinnen des Orakels hatte sie ihr beigebracht, weil sie
diese Sprache noch niemals gehört hatte. Es schien eine Mischung aus
Alt-Ägyptisch, Aramäisch, Hebräisch und Ugaritisch zu sein. Ein Beweis dafür,
wie lange die Immaculate schon auf Erden wandelten. Sie hatten schließlich die
relativ moderne Sprache Latein als Amtssprache gewählt, um ein neues Zeitalter
einzuläuten. Nico musste sich erst daran gewöhnen, in solchen Dimensionen zu
denken. Ihr stand die Umwandlung schließlich erst noch bevor.
    Nico blinzelte überrascht, als eine Flamme sich plötzlich in der Mitte
der Schale entzündete, die sie bisher vorsichtig auf ihren Handflächen
balanciert hatte und auf Brusthöhe vor sich hertrug. Das Orakel hatte ihr
gesagt, dass sie über genug Magie verfügte, um dieses Ritual zu beginnen, doch
tief in ihrem Herzen hatte sie bisher daran gezweifelt.
Bei jedem Schritt glitten die Seidenlagen des rituellen Gewandes über ihre
nackten Beine. Genau genommen trugen sie alle nicht sehr viel am Leib, auch
wenn die Gewänder bodenlang waren. Die Stoffe waren so fein gesponnen als wären
es Lagen von feinen Spinnweben, aus denen man sie zusammengenäht hatte. Ihren
Blick nach links gerichtet erreichte sie das Spalier, das die Krieger des
Volkes bildeten.
    Nico hielt die Schale dem ersten Krieger hin und die Flamme übertrug
sich wie von Geisterhand auf die Schale, die er in Händen trug. Kurz hob sie
den Blick und schnappte dann leise nach Luft, weil sie den Mann erkannte. Es war
Ray Avery! Der Spezialist, der die Alarmanlage in ihrer Wohnung installiert
hatte. Schnell

Weitere Kostenlose Bücher