Die Nacht der Uebergaenge
Feuer
Samstag, 30. Juni; abends
Die Sonne war endlich untergegangen. Alle Rituale der Immaculate wurden
in Erinnerung an ihre einstige Schwäche in der Nacht abgehalten oder vor dem
Morgengrauen, kurz bevor die Sonne aufging. Der große Saal lag in tiefer
Dunkelheit, in der die Angehörigen der Rasse aufgrund ihrer scharfen Nachtsicht
dennoch alle Details wahrnehmen konnten.
Es herrschte atemlose Stille in dem Raum mit den hohen Decken, obwohl hier gut
und gerne zweihundert Zuschauer darauf warteten, dass die zukünftigen Devenas
den Raum endlich betraten.
Die meisten Gäste waren in der Nacht zuvor angereist, natürlich auf die Art und
Weise, die einem Vampir gebührte. Das Gepäck wurde von den Lost Souls
transportiert, die den verschiedenen Familien dienten. Das Schloss war nach dem
Bloodrite wieder zum Bersten mit Besuchern aus aller Herren Länder gefüllt und
glich einem betriebsamen Bienenstock.
Die Devenas waren bisher unter Verschluss gehalten worden, damit sie
sich allein auf sich selbst besinnen konnten. Die Vorbereitung auf das Ritual
war aufregend genug und wenn man hinterher noch der Gesellschaft vorgestellt
wurde, dann reichte das völlig aus, um die Nerven blank liegen zu lassen. Es
ging hier schließlich um Novizen, die eingeführt wurden, und trotz der
Unterstützung des Orakels und der Warrior mussten sich die beiden Frauen noch
beweisen. Es wurde sehr viel von ihnen verlangt, dafür dass sie erst so kurze
Zeit Teil ihrer Gesellschaft waren.
Lilith war ihr eine große Hilfe gewesen, in dem sie gewissermaßen eine
Pufferzone zu den anderen Patronas und Ratsmitgliedern geschaffen hatte. Die
Neugier war verständlicherweise groß, da eine der Breeds völlig uneingeweiht
gewesen und zudem immer noch nicht umgewandelt war. Das würde ziemliche Unruhe
in die Gesellschaft bringen. Wenigstens stand Romana Kiss unter dem Schutz der
Familie Harpia und war das Kind von Malakai, dessen Blutlinie unzweifelhaft
rein war.
Es gab bestimmt einige ehrgeizige Töchter in den alteingesessenen
Familien, die lieber sich selbst in dieser Position gesehen hätten. Allerdings
war es von je her so gewesen, dass neue Häuser nur an die mächtigsten Frauen
vergeben wurden, die von der Vorsehung besonders dazu ausgewählt worden waren.
Bestehende Häuser wurden an die Nachkommenschaft der Devena vererbt, die unter
ihren Töchtern auswählte, wer ihre Stelle einnehmen würde, sobald Zeit für
einen Wechsel war.
Ron stand auf der linken Seite des Orakels, das bei diesem Ritual gleich
von zwei Anführern der Kriegergilde eingerahmt wurde. Man konnte die
europäischen Warrior von dieser Entwicklung nicht ausschließen, auch wenn
Theron sich das in diesem Moment gewünscht hätte. Er sorgte sich schon etwas um
die möglichen Folgen, obwohl alles genau nach Protokoll abgelaufen war.
Jagannatha war in diesem Punkt mehr als zuverlässig. Er hätte sich die nötige Zurückhaltung
auferlegt, wenn das Orakel es verlangt hätte, selbst wenn ihn das umgebracht
hätte. Zum Glück für ihn wusste Catalina sehr genau, was sie wollte.
In der Dunkelheit studierte Theron die Gesichter der Männer, die vor dem
Altar am Ende der Stufen regungslos wie Statuen standen und darauf warteten,
dass die Zeremonie begann. Sie trugen alle die altmodische Version der
Warriormontur und waren dieses Mal nicht gezwungen, nackte Haut zu zeigen. Bis
auf den Umhang, der mit dunkelroter Seide gefüttert war, waren ihre Sachen alle
Schwarz, so dass sie allein deshalb schon bedrohlich wirkten.
Das Orakel hatte die Aufstellung der Krieger bestimmt und Theron fragte
sich, ob es wohl eine Bedeutung hatte, dass sein Bruder und Nathan in der
ersten Reihe standen… Danach folgten Orsen und Ash. Sein alter Freund schenkte
ihm ein kleines Lächeln, bevor sein Gesicht wieder zur undurchdringlichen Maske
wurde.
Hinter ihm stand Raziel und ihm gegenüber Creon, beides Warrior aus
Europa, deren Blicke stur aufeinander gerichtet blieben. Den Abschluss bildeten
Ray und Damon, die jüngsten Krieger, auch wenn der Altersunterschied nahezu
unerheblich war. Die hohen Türen des Saales glitten auf und dann erblickte er
zuerst die zierliche Gestalt von Nico, die den Devenas den Weg als Juvena *
ebnen sollte.
(*Juvena - junge Frau, die den spirituellen Weg der Devena begleitet)
Selbst für eine Priesterin, wie sie es war, war der Aufenthalt im Castle
Harpyja eine überwältigende Erfahrung. Sie hatte letzte Woche Catalina jeden
Tag nach der Arbeit besucht, um sie über
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