Die Nacht der Weisswurst-Vampire
den Hof. Seit der ersten Begegnung mit den Vampiren hatte sie ständig ein unsicheres Gefühl. Ihr war, als könnte sich jederzeit und von allen Seiten ein Blutsauger auf sie stürzen. Das Mädchen wußte genau, daß es sich nur um verkleidete Menschen handelte. Trotzdem traute sie ihnen die Fähigkeit zu, sich in eine Fledermaus zu verwandeln und nun über ihrem Kopf zu hängen. Sie warf einen schnellen Blick nach oben, wo aber nur alter, schmutziger Verputz zu erkennen war.
“Wir saugen sie aus! Wir saugen sie aus! Wir saugen sie aus!” verkündete der Chor abermals. Er mußte sich irgendwo in dem Haus befinden. Aber wo?
Lilo ließ ihr Blicke suchend über die Fassade streifen und entdeckte dabei drei offene Kellerluken. Vorhin mußte sie genau daneben gestanden sein. Die länglichen Milchglas-Fenster waren nur einen schmalen Spalt nach außen gekippt. Das Superhirn schlich hastig näher und kniete sich davor hin. Zaghaft spähte Lilo über die Kante des Fensterrahmens.
Lieselotte traute ihren Augen nicht. Am Ende des Gewölbes stand ein Vampir neben einem offenen Sarg und sprach zu mindestens 25 Kindern und Jugendlichen, die begeistert zu ihm aufblickten.
“Nur noch sieben Tage”, verkündete der Vampir, “dann ist es soweit. Dann ist die Nacht der Weißwurst-Vampire gekommen! Eine Nacht, die von den geldsüchtigen Sterblichen nicht so bald vergessen wird! Eine Nacht, in der WIR für Gerechtigkeit sorgen werden. Eine Nacht, in der IHR in den Geheimbund der Weißwurst-Vampire aufgenommen werdet. Doch vergeßt nicht, ihr müßt weiter trainieren, damit ihr soviel wie möglich saugen könnt! WO ihr saugt, wird euch das Programm am siebenten Tag bekanntgeben.”
Alle Anwesenden hoben beide Hände und machten Bewegungen, als würden sie etwas aus der Luft herunterziehen. Dazu schrien sie abermals: “Wir saugen sie aus! Wir saugen sie aus! Wir saugen sie aus!”
Danach bestieg der Vampir seinen Sarg und schloß den Deckel. Die Kinder und Jugendlichen strömten murmelnd und plaudernd dem Ausgang zu.
Lilo sauste auf die Straße und zischte Dominik und Poppi zu: “Schnell und unauffällig weg. Kommt!” Unterwegs berichtete das Superhirn den anderen dann von einem Verdacht: “Die wichtigste Spur in dieser Sache ist in Nataschas Computer gespeichert”, sagte sie zu Dominik. “Glaubst du, daß du irgendwie an die Daten herankommen kannst? Ich habe gehört, daß sie nur zu einem bestimmten Datum frei werden. Wie schafft man es, sie schon früher zu kriegen?”
Dominik überlegte. “Ich kann nur herumprobieren und es versuchen. Allerdings gebe ich keine Garantie dafür ab, daß ich es scharfe.”
Als sie in Klaus-Jürgens Wohnung zurückkehrten, wurden die drei Knickerbocker bereits erwartet. Schweinchen Schlau saß im Wohnzimmer und blätterte in einer Zeitschrift. Als Lilo, Poppi und Dominik eintraten, schleuderte er das Heft über seine Schulter und rief: “Wer hat euch erlaubt, das Haus zu verlassen? Ich bin halb gestorben vor Angst.”
“Wir haben nur ein bißchen frische Luft geschnappt”, log Lilo. Aus Erfahrung wußte sie, es war besser, Erwachsene nicht unnötig aufzuregen.
“Packt eure Sachen, ihr fahrt!” kommandierte Klaus-Jürgen und scheuchte die drei zu den Schränken.
Poppi erschrak. “Heißt das, wir müssen nach Hause, nur weil wir spazierengegangen sind?”
Schweinchen Schlau grunzte etwas, das nein heißen sollte. “Axel hat sich gewünscht, daß ihr bei ihm bleibt”, berichtete er. “Die Dreharbeiten auf Schloß Neuschwanstein dauern mehrere Tage. In einer Stunde fahren wir los.”
“Der Computer”, schoß es Dominik durch den Kopf. Wie sollte er nun versuchen den Code zu knacken?
Dafür war es zu spät.
Als die drei Knickerbocker vor den Toren von Schloß Neuschwanstein standen, lautete ihr Kommentar: “Wau!
Irre!” “Ist das für den Film gebaut worden?” wollte Poppi wissen.
Klaus-Jürgen lachte laut auf. “Nein, nein, Poppi, dieses Schloß hat sich der Bayernkönig Ludwig der II. tatsächlich erbauen lassen. Er war ein Träumer und ein großer Einzelgänger und wurde oft ,Der Märchenkönig' genannt.”
“Burg Neuschwanstein sieht tatsächlich wie aus dem Märchen aus!” stellte Dominik fest.
“Es sollte auch eine romantische Ritterburg sein, in die sich der Märchenkönig vor der Wirklichkeit zurückziehen wollte. Er war immer auf der Flucht vor der ,schauderhaften Zeit' und wollte seine Träume verwirklichen lassen. Natürlich hat der Bau des
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