Die Nacht der Weisswurst-Vampire
in einen unendlichen Abgrund. Seine eigenen Freunde hielten ihn für einen hundsgemeinen Schuft. In seiner Verzweiflung rannte der Junge los und stürmte in das Schloß hinein. Er wollte sich irgendwo verkriechen und heulen. “Wäre ich doch nie nach München gekommen”, dachte er. “Ich will weg! Nach Hause! Und diese miesen Saukerle, die meine Freunde waren, die sollen alle etwas erleben. Denen zahle ich es heim!” schimpfte er laut vor sich hin.
“Die werden mich kennenlernen und noch lange an mich denken!” schnaubte Dominik und ließ sich auf den Stufen einer breiten Festtreppe nieder. Er lehnte sich gegen das Geländer aus Stein und starrte auf die Decke. So verzweifelt war er schon lange nicht gewesen.
Nach ungefähr einer Viertelstunde hörte er Axels Stimme. “Wilma!” rief er. “Mein rechtes Ohr geht herunter. Bitte nachkleben!”
Jetzt erst bemerkte Dominik, daß ein Stück von der Treppe entfernt ein Tisch mit einem hohen Spiegel stand. Dort arbeitete die Maskenbildnerin.
Im Augenblick stand sie aber eng umschlungen mit Herrn Schlamitzky ein Stück weiter gegen eine Säule gelehnt. Die beiden schienen nach Dominik gekommen zu sein und hatten den Jungen nicht bemerkt. Nur widerwillig und unter verärgertem Brummen löste sich Wilma aus der Umarmung und begab sich zu ihrem Tisch.
Axel hastete um die Ecke und ließ sich auf den Sessel fallen. Er überreichte ihr das Ohr aus Kautschuk (= eine Gummimasse), damit sie es wieder ankleben konnte.
“Warte, ich werde den Klebstoff diesmal nicht auf die Haut auftragen, sondern auf das Kunstohr”, beschloß die Maskenbildnerin. “Dann lassen wir es ein wenig antrocknen und erst dann streiche ich dir das Klebezeug auf dein echtes Ohr. Ich hoffe, es hält dann endlich!”
Sie holte ein Fläschchen heraus und tropfte eine Flüssigkeit auf das künstliche Ohr. Mit einem schrillen Schrei ließ sie es fallen, als wäre es plötzlich glühend heiß! Dominik sprang von der Treppe und stürzte zu ihr.
Fassungslos starrte er auf den Boden, wo das Kunstohr lag. Die Flüssigkeit hatte ein großes Loch hineingeätzt und zerfraß nun nach und nach den Rest des Kautschuks.
Auch Herr Schlamitzky war herbeigeeilt und griff sich entsetzt an sein Herz. “Um Himmels willen”, stöhnte er, “stell dir vor, du hättest dem Jungen das Zeug auf sein echtes Ohr getropft. Er wäre es jetzt los!”
Die Maskenbildnerin war völlig durcheinander. Wie hatte das geschehen können?
“Hugo-Egon”, keuchte sie, Jemand muß die Inhalte der Fläschchen vertauscht haben. Ich kann mir das nicht anders erklären!”
“Wer sollte so etwas tun?” fragte Axel.
Dominik spürte, wie ihn der bohrende Blick des Schauspielers traf. “Derselbe, der vorhin einen Scheinwerfer auf dich fallen lassen wollte”, meinte er trocken.
“Dominik!” Axel konnte es nicht fassen. “Bitte ... bitte sag, daß es nicht stimmt! Bitte!”
Dominik schluckte immer wieder. Er war es natürlich nicht gewesen, aber alle Beweise deuteten auf ihn.
“Bürschchen”, knurrte der Schauspieler, raus mit der Wahrheit, du kleines Aas!”
Er packte ihn am Genick und zwang ihn zu Boden. Hugo-Egon drückte ihn immer tiefer und tiefer zu Boden, bis seine Nase beinahe in die stinkende Mischung aus Gummi und Säure tauchte.
Das war zuviel für den Knickerbocker. Er schlug mit aller Wucht gegen das Schienbein des Mannes, der sofort laut aufjaulte. Dominik rappelte sich auf und stürzte aus dem Schloß in den Hof. Er rannte auf den Ausgang zu und hatte nur noch einen Gedanken im Kopf: Fort! Fort! Er wollte weit weg! Nach Hause!
Dominik konnte sich nicht mehr beherrschen und begann zu weinen. Die Tränen stürzten aus seinen Augen und verschleierten seinen Blick. Er sah nicht einmal, wo er hintrat, sondern stolperte nur weiter voran.
“Hoppla, was für ein Zufall!” hörte er da eine Stimme neben sich. Jemand hielt ihn an der Schulter fest und drehte den Jungen herum. Verschwommen erkannte Dominik das Gesicht von Ottokar.
“Lassen Sie mich! Sie ... Sie Betrüger!” schrie er und rannte weiter. Doch dann bremste er rasant ab und drehte sich hastig um.
“Lieselotte! Poppi!” schrie er aus Leibeskräften. “Lilo! Schnell! Ich weiß, wer der Vampir ist!”
“Ruhe!” donnerte die Stimme des Regisseurs. “Jetzt reicht es mir! Alle, die bei dieser Szene nicht mitarbeiten, verschwinden hinaus! Raus!”
Betty kam auf Dominik zugestürzt und drängte ihn zum Ausgang. “Mach besser halblang”, flüsterte
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