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Die Nacht des einsamen Träumers.

Die Nacht des einsamen Träumers.

Titel: Die Nacht des einsamen Träumers. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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hat?«

    »Freilich! Er hat sie für mich aufgemacht. Wissen Sie, Dottore, der Ragioniere rechnet sich aus, wie viel Fleisch er in einem Jahr essen wird, wie viel Fisch, wie viel Pasta, wie viel Käse... Eben alles, was ein Mann seiner Meinung nach für dreihundertfünfundsechzig Tage zum Leben braucht... Alles, wirklich alles, glauben Sie mir, sogar so was wie Zahnstocher. Am zweiten Januar kommen die Lieferwagen, und er lagert das Zeug ein, das, was er einfriert, das, was in den Kühlschrank gehört... Er könnte ein ganzes Jahr zu Hause bleiben, ohne einen Fuß vor die Tür zu setzen.«
    »Hat er Verwandte?«
      »Nur einen Neffen, den Sohn einer Schwester, die mit ihrem Mann nach Venedig gezo gen war und dort gestorben ist. Das Haus wird er seinem Neffen hinterlassen, unter der Bedingung, dass nichts von all dem, was er dort vorfindet, veräußert wird, wie er sagt. Alles muss bleiben, wie es ist. Können Sie sich das Gesicht des Neffen vorstellen, wenn er die Fässer öffnet?«
      Montalbano fügte den Mutmaßungen, die er bereits angestellt hatte, eine weitere hinzu: ein naiver Wunsch nach Unsterblichkeit? Die Pharaonen ließen sich wenigstens Pyramiden bauen!
      »Und wissen Sie was?«, fuhr Fazio fort. »Von diesen gebrauchten Kronkorken, die man ihm geklaut hat, hat er geredet, als wären es Kostbarkeiten, Perlen, Diamanten!«

      Auf dem Rückweg nach Marinella musste er wieder an die Geschichte mit dem Ragioniere denken, und mit einem Mal wusste er, dass die Verschrobenheit des Hauses und seines Besitzers ihn daran gehindert hatten, die eigentliche Frage klar zu erfassen: Warum taten Einbrecher sich das an, dass sie mitten in der Nacht in das Haus eindrangen, mit Nachschlüsseln oder Dietrichen Türen öffneten und riskierten, im Gefängnis zu landen, nur um eine Pappschachtel voller gebrauchter Kronkorken mitzunehmen? Dieser Diebstahl, der auf den ersten Blick unsinnig erschien, hatte sicher seinen verborgenen Sinn. Als er nach Hause kam, schlug er gleich das Telefonbuch auf. Ragioniere Ettore Ferro war aufgeführt.
       »Pronto? Hier ist Commissario Montalbano. Wie geht es Ihnen?«
      »Wie soll es mir schon gehen, Commissario? Verzweifelt bin ich. Ich fühle mich, als hätte man mir einen Teil meines Lebens gestohlen.«
    »Kopf hoch, Ragioniere. Sie müssten mir einen Gefallen tun.«
    »Gern, wenn ich kann.«
      »Sie müssten kontrollieren, ob in Ihrem Haus sonst noch etwas fehlt.«

      »Das habe ich schon gemacht, Commissario. Ich habe den ganzen Tag lang alles durchgesehen. Es fehlt sonst nichts.«

      »Verzeihen Sie, wenn ich noch mal nachhake. Ist die Schachtel mit den Kronkorken von 1996 an ihrem Platz?«
    » Sissignore.«
      »Gute Nacht, Ragioniere. Entschuldigen Sie die Störung.« Er öffnete den Kühlschrank: Da war nur Dosenbier. Er verließ das Haus, setzte sich wieder ins Auto, fuhr zur Bar in Marinella, kaufte fünf Flaschen unterschiedlicher Marken, fuhr nach Hause zurück, öffnete die Flaschen, setzte sich an den Tisch im Esszimmer und legte die fünf Kronkorken nebeneinander. Nach einer Weile stand er auf und rief den Ragioniere noch mal an.

    »Hier ist Montalbano. Es tut mir wirklich Leid, aber...«
    »Das macht nichts, was gibt es denn?«
    »Welches Bier trinken Sie?«

    »Es heißt Torrefelice.«
    »Nie gehört.«

      »Sie haben Recht. Es ist eine kleine Brauerei in einem Dorf bei Messina. Das Bier gibt es seit drei Jahren. Mir schmeckt es. Sie kennen doch Corona Extra, das Bier, das wie Weißwein aussieht?«
    »Ich verstehe nicht viel von Bier.«

      »Na ja, es schmeckt ähnlich. Aber ich finde es besser. Da ich täglich eine große Flasche trinke, lasse ich mir am zweiten Januar sechsunddreißig Zehnerkartons und fünf einzelne Flaschen bringen.«
    »Noch eine Frage, Ragioniere. Haben Sie nur an der kaputten Scheibe und den offenen Türen gemerkt, dass Diebe im Haus waren?«
    »Wer hat gesagt, dass die Türen offen waren?«
    »Sie. Heute Morgen.«

      »Ich muss mich falsch ausgedrückt haben. Die Diebe hatten die Türen wieder geschlossen, aber sie haben den Schlüssel nur einmal umgedreht, während ich immer zweimal umdrehe. So wurde ich argwöhnisch, und dann habe ich die kaputte Scheibe bemerkt.«

      »Ich verspreche, dass ich Sie nicht mehr stören werde. Gute Nacht.«

    »So Gott will.«
      Eines konnte man festhalten: Die Diebe hatten sich Mühe gegeben, dass der Diebstahl nicht entdeckt würde, in der Tat konnte die Scheibe durch

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