Die Nacht des einsamen Träumers.
Intorre mittlerweile fast blind ist?« Ciccio Monaco fiel die Gabel aus der Hand. Er war blass geworden.
»Nein... das wusste ich nicht.«
»Aber«, sagte Montalbano, »auch das muss nichts heißen. Kann sein, dass er sich von einem Komplizen hat helfen lassen.« »Eben! Das meine ich ja!«
Der Kellner brachte dem Commissario den antipasto di pesce. Montalbano fing an zu essen, als sei das Thema erledigt.
»Und was wollen Sie jetzt tun?« Der Commissario beantwortete die Frage mit einer Gegenfrage. »War Ihnen bekannt, dass Ihr Freund Girolamo Cascio in den vergangenen sechs Jahren in Montelusa zwei Wohnungen und drei Geschäfte gekauft hat?« Diesmal wurde Ciccio Monaco so blass, dass er wie tot aussah.
»Das... das...«
»Das wussten Sie nicht, klar«, sprach der Commissario für ihn zu Ende. Und aß weiter. Als er mit seinem antipasto fertig war, blickte er den ehemaligen Gemeindesekretär an, der wie versteinert auf seinem Stuhl saß. »Nun frage ich mich, wie ein kleiner Angestellter mit einem miesen Gehalt es schafft, sich zwei Wohnungen und drei Geschäfte zu kaufen. Ich habe hin- und herüberlegt und bin zu einer Schlussfolgerung gekommen: Erpressung.« Man brachte Montalbano einen Seebarsch, der noch im Meer zu schwimmen schien.
»Tun Sie mir einen Gefallen, Signor Monaco? Könnten Sie sich gedulden, bis ich diesen Seebarsch gegessen habe, ohne zu reden?«
Der andere gehorchte. In der Zeit, die der Commissario dazu brauchte, den Fisch in Fischgräten zu verwandeln, trank Monaco vier Glas Wasser. Schließlich lehnte sich der Commissario zufrieden im Stuhl zurück und seufzte genüsslich. »Zurück zu unserem Gespräch. Wer war die Person, die Girolamo Cascio erpresst hat? Ich habe eine plausible Vermutung: Jemand, den er von der Anzeige wegen des Schwindels mit den Ausschreibungen ausgenommen hatte. Dem Erpressten bleibt nichts anderes übrig, als zu zahlen. Doch er wartet nur auf eine günstige Gelegenheit. Intorres Freilassung ist der Augenblick, auf den der Erpresste gewartet hat. Er wird den Verdacht auf den Ex-Gefangenen fallen lassen, und zwar mit einer genialen Idee: Er wird einen Fehler von Intorre vortäuschen, der nicht wissen dürfte, dass Cascio keinen Alkohol mehr trinken kann. Der Erpresste hat uns bei der Hand genommen und dahin geführt, wo er uns haben wollte. Ein vorgetäuschter Fehler, wirklich genial! Aber wie das Leben so ist, beschließt es, eine der drei Karten, mit denen der Mörder sein Spiel spielen und alle linken wollte, zu zinken. Was macht das Leben? Es spielt dir einen Streich. Weil der Mörder einen vorgetäuschten Fehler als echt verkaufen wollte, sorgt es dafür, dass ihm ein echter Fehler unterläuft, der genau spiegelverkehrt zu dem anderen ist. Der Mörder weiß nicht, dies tatsächlich nicht, dass Intorre mittlerweile fast blind ist.«
Ciccio Monaco machte Anstalten aufzustehen. »Ich möchte auf die Toilette gehen...« Aber er schaffte es nicht und fiel auf den Stuhl zurück. »Haben Sie ein Auto, Signor Monaco?«
»Ja... aber... ich benutze es nicht mehr...«
»Ist es dunkelblau?«
»Ja.«
»Wo steht es?«
Der andere wollte etwas sagen, aber es kam kein Ton über seine Lippen.
»In Ihrer Garage?« Ein unmerkliches Ja mit den Augen. »Fahren wir hin?«
Ciccio Monaco redete wider Erwarten. »Sie haben Recht, ich steckte auch in der Geschichte mit den Ausschreibungen drin. Aber er hat mich rausgehalten, damit er mir das Blut aussaugen konnte. Die anderen erwähnten im Prozess meinen Namen nicht. Ich hatte an diesem Abend wirklich nicht vor, ihn umzubringen. Erst, als er mir sagte, Pino Intorre sei aus dem Gefängnis gekommen und er würde ihn, wenn ich ihm nicht mehr gebe, auf mich hetzen, beschloss ich, ihn umzubringen und den Verdacht auf Intorre fallen zu lassen.« Er wollte aufstehen, um Montalbano zu folgen, aber es gelang ihm nicht, sich vom Stuhl zu lösen, seine Beine trugen ihn nicht. Der Commissario war ihm behilflich und reichte ihm den Arm. Sie verließen die Trattoria wie zwei alte Freunde.
Absolut unbrauchbare Fadenreste
»Dottore? Hier ist Fazio. Könnten Sie vorbeikommen?«
»Wozu denn?«
Er sah keinen Grund, warum er das tun sollte: sich aus dem Büro fortbequemen, ins Auto steigen, das sich auch erst bitten ließ, bevor es sich in Bewegung setzte, quer durch Vigàta fahren, die Straße nach Montelusa nehmen, nach fünfhundert Metern nach links abbiegen, einen Karrenweg einschlagen, um den sogar
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