Die Nacht des einsamen Träumers.
Klo.«
»Wieso?«
»Ach, der konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten. Jedenfalls habe ich, als er sein Ding rausgeholt hat, sofort das Rasiermesser aufgeklappt und ihn leicht geschnitten.« Montalbano sah ihn irritiert an. »Wo hast du ihn geschnitten?«
»Wo wohl? Aber es ist nicht der Rede wert. Na ja, geblutet hat es schon ein bisschen, aber es war wirklich...«
»Mimi, bist du verrückt geworden?« Augello bedachte ihn mit einem überlegenen Lächeln.
»Salvo, du hast eines nicht begriffen. Entweder der Alte hätte geredet, oder unsere Leute hätten ihn nicht lebend hier rausgelassen. So habe ich das Problem gelöst. Der dachte, ich würde ihn ihm glatt abschneiden, und hat geredet.«
Montalbano nahm sich vor, am folgenden Morgen mit Mimi und allen Kollegen aus dem Kommissariat zu sprechen, es behagte ihm gar nicht, wie sie den Alten behandelt hatten. Er überließ den Mörder und Vergewaltiger Augello, der ja jetzt kein Rasiermesser mehr brauchte, und kehrte in die Trattoria zurück. Sein antipasto erwartete ihn und trug die Hälfte seiner Gedanken fort. Die triglie al sughetto ließen die andere Hälfte verschwinden. Als er die Trattoria verließ, lag die Straße im Dunkeln. Entweder hatte jemand die Lampen kaputtgemacht, oder sie waren durchgebrannt. Nach ein paar Schritten hatten sich seine Augen daran gewöhnt. Neben einer Haustür stand einer und urinierte, nicht gegen die Mauer, sondern auf einen großen Karton. Kurz bevor Montalbano bei dem Mann ankam, bemerkte er, dass der seine Blase auf einen armen Kerl entleerte, der in dem Karton lag und nicht reagieren und nicht reden konnte, weil er sturzbetrunken war.
»Na?«, fragte Montalbano und blieb stehen. »Ist was?«, sagte der andere und machte seinen Reißverschluss zu.
»Findest du das in Ordnung, auf einen Menschen zu pissen?«
»Mensch? Der ist ein Stück Scheiße. Und wenn du nicht abhaust, piss ich dich auch an.«
»Entschuldigung und gute Nacht«, sagte der Commissario. Er wandte ihm den Rücken zu, tat einen halben Schritt, drehte sich wieder um und verpasste ihm einen kräftigen Tritt in die Eier. Dem anderen blieb die Luft weg, und er sackte auf dem armen Kerl in dem Karton zusammen. Würdiger Abschluss eines harten Tages.
Jetzt war er fast angekommen. Er hielt sich links, bog ab, schlug den Weg ein, der zu seinem Haus führte, erreichte den Vorplatz, hielt an, stieg aus, öffnete die Haustür, schloss sie hinter sich und suchte den Lichtschalter, aber seine Hand blieb auf halber Höhe stehen. Was hatte ihn gelähmt? Eine Art Blitzlicht, das schlagartige Bild einer Szene, die er kurz zuvor flüchtig gesehen hatte, zu rasch, als dass sein Hirn die gesammelten Daten rechtzeitig hätte weiterleiten können. Er schaltete das Licht nicht an, die Dunkelheit half ihm, sich zu konzentrieren, zu rekonstruieren, was ihm unterschwellig zugesetzt hatte.
Ja, es war gewesen, als er das Lenkrad gedreht hatte, um in den Weg einzubiegen, das Fernlicht hatte einen Augenblick lang eine Szene beleuchtet. Vor ihm stand, in derselben Fahrtrichtung, ein Nissan-Geländewagen. Auf der anderen Straßenseite drei Silhouetten in Bewegung. Sie schienen zu tanzen, mal verschmolzen sie zu einem einzigen Körper, mal lösten sie sich voneinander. Er schloss die Augen, er machte sie ganz fest zu. Sogar der Schein der Lampe störte ihn, die auf der Veranda angeblieben war und die tiefe Dunkelheit befleckte, in die er eintauchen wollte.
Zwei Männer und eine Frau, jetzt war er sicher. Sie tanzten, und manchmal umarmten sie sich. Nein, das war, was er zu sehen geglaubt hatte, aber da war etwas im Verhalten der drei, das eine andere Situation vermuten lassen konnte. Stell das schärfer ein, Salvo, der Blick eines Bullen ist immer noch der Blick eines Bullen.
Plötzlich hatte er keinen Zweifel mehr. Wie mit einem geistigen Zoom filterte er eine Hand heraus, die sich brutal und grausam in den Haaren der Frau verkrallte. Die Szene bekam ihre wahre Bedeutung. Eine Entführung, von wegen eine Spielerei! Zwei Männer, die das Mädchen in den Nissan zu zerren versuchten.
Er dachte keine Sekunde nach, öffnete die Tür, ging hinaus, setzte sich ins Auto und fuhr los. Wie viel Zeit war vergangen? Er schätzte, gute zehn Minuten. Zwei Stunden lang fuhr er herum, verbissen, die Lippen zusammengepresst, mit starrem Blick, hin und her, über Straßen, Sträßchen, Feld- und Karrenwege.
Als er die Hoffnung schon aufgegeben
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