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Die Nacht des einsamen Träumers.

Die Nacht des einsamen Träumers.

Titel: Die Nacht des einsamen Träumers. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Notizbücher habe, alte und neue,
    und diese Telefonnummer, 39.18.19, nirgends drinsteht.«
      Sie schlössen die Tür wieder ab und brachten den Schlüssel der Pförtnerin.

      Die Offenbarung (im wahrsten Sinn des Wortes die biblische Offenbarung) hatte Montalbano gegen ein Uhr nachts zu Hause in Marinella, während er, in Unterhosen und von Schlaflosigkeit geplagt, lustlos durchs Programm zappte.

      Aus unerfindlichen Gründen faszinierten ihn bestimmte Sendungen, die jemand, der mit gesundem Menschenverstand begabt war, sorgfältig meiden würde: der Verkauf von Möbeln, komplizierten Turngeräten, billigen Gemälden. An diesem Abend fiel sein Blick auf ein Paar, James und Jane, Pastoren einer undefinierbaren Kirche nach amerikanischem Muster. In holprigem Italienisch erklärte das Paar, die Rettung des Menschen bestehe darin, immer die Bibel zur Hand zu haben, um bei jeder Gelegenheit Rat zu finden. Montalbano amüsierte sich über Jane, toupiert und in einem eng anliegenden Kleid wie eine viertklassige Marilyn, und über James ebenso, Spitzbärtchen, magnetischer Blick, Rolex am Handgelenk. Er wollte gerade weiterschalten, als James sagte:
      »Freunde, nehmt die Bibel zur Hand. Deuteronomium: 20.19.20.«

      Es war, als hätte ihn ein elektrischer Schlag voll getroffen. Wie konnte man nur so blöd sein! Er suchte im ganzen Haus nach einer Bibel und fand keine. Er sah auf die Uhr, es war ein Uhr nachts, Augello war bestimmt noch wach. »Mimi, entschuldige. Hast du eine Bibel?«

      »Salvo, warum lässt du dich nicht endlich mal untersuchen?« Er legte auf. Dann fiel ihm etwas ein, und er wählte eine Nummer. »Hotel Belvedere.«
    »Hier ist Commissario Montalbano.«
    »Was kann ich für Sie tun, Commissario?«
      »Soviel ich weiß, legen Sie in Ihrem Hotel doch Bibeln auf die Zimmer.«

    »Ja, das machten wir früher.«
    »Wieso, jetzt nicht mehr?«

    »Nein.«
    »Aber Sie haben Bibeln im Hotel?«
    »So viele Sie wollen.«

    »Ich bin in einer halben Stunde bei Ihnen.«

    Im Sessel sitzend, die Bibel in der Hand, dachte Montalbano eine Weile nach. Er konnte unmöglich die ganze Bibel lesen, das würde eine Woche dauern. Er beschloss, vorn anzufangen, bei der Genesis. Hatte Manifò nicht auch ein Buch über dieses Thema geschrieben? Er schlug Kapitel neununddreißig auf: Hier war die Rede von den Söhnen Jakobs, im Besonderen von Josef. Unter den Versen achtzehn und neunzehn wurde von dem Unglück des armen jungen Mannes mit Potiphars Frau berichtet. Josef, der, wie es in der Bibel hieß, schön von Gestalt und Aussehen war, kam als Sklave in das Haus des Potiphar, eines Hofbeamten des Pharao. Er erwarb das Vertrauen seines Herrn, der ihm sein ganzes Hab und Gut zur Verwaltung übertrug. Doch Potiphars Weib warf ein Auge auf Josef und drängte ihn bei jeder Gelegenheit, unschickliche Sachen mit ihr zu machen. So sehr sie ihn auch drängte, hieß es in der Bibel weiter, nie stimmte Josef zu, »bei ihr zu schlafen und ihr zu Willen zu sein«. Aber eines Tages verlor die Frau den Kopf und fiel über ihn her: Der arme Josef konnte weglaufen, aber sein Gewand blieb in den Händen der Frau. Und die verkündete, um sich zu rächen, Josef habe versucht, sie zu vergewaltigen, er habe ja sogar sein Gewand in ihrem Zimmer liegen lassen. Und so landete Josef im Gefängnis.
      Von wegen Gefasel! In seinem Delirium fühlte sich Professore Manifò in der gleichen Lage wie der biblische Josef, und er versuchte zu erklären, was geschehen war: Er war das Opfer, nicht Signora Briguccio. Doch wenn man Manifòs Hinweis ernst nahm, war einiges nicht stimmig. Also: Der Professore behauptet, dass Eleonora, als er sich allein in ihrer Wohnung befindet, sich auf ihn stürzt, damit er bei ihr schlafe, um mit der Bibel zu sprechen. Aber der Professore entkommt, wobei er etwas so Intimes, so Persönliches in Eleonoras Händen zurücklässt, dass Signor Briguccio überzeugt ist, dass der Versuch der Vergewaltigung (zumindest erzählt ihm das seine Frau, um sich für die Abfuhr zu rächen) ohne jeden Zweifel stattgefunden hat. Doch auch wenn man diese Hypothese zuließ, fehlte dem darauf folgenden Geschehen die Logik: Wer hatte die Plakate gedruckt und geklebt? Professore Manifò, um sich seinerseits zu rächen? Ach was! Er fand keine Antwort und ging schlafen.

      Am folgenden Morgen, als er gerade aufgestanden war, sprudelte ein Gedanke frisch wie Quellwasser in seinem Hirn. Er stürzte ans Telefon.
      »Mimi? Ich

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