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Die Nacht des einsamen Träumers.

Die Nacht des einsamen Träumers.

Titel: Die Nacht des einsamen Träumers. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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hatte, sah er den Nissan vor einem Haus auf dem Hügel stehen, einem Haus, das er die seltenen Male, die er zufällig dort vorbeigekommen war, immer für unbewohnt gehalten hatte. In den Fenstern an der Vorderseite schien kein Licht. Er schaltete den Motor aus, doch er fürchtete, dass man das Motorengeräusch schon gehört hatte. Regungslos wartete er ein paar Minuten. Dann stieg er aus dem Wagen, die Tür ließ er offen, und ging, gebückt, vorsichtig um das Haus herum. Auf der Rückseite drang aus zwei Zimmern Licht durch die geschlossenen Fensterläden, aus einem im Erdgeschoss und einem im ersten Stock.
      Er ging wieder vor das Haus und drückte langsam die angelehnte Tür auf, wobei er darauf achtete, dass sie nicht knarrte. Er schwitzte. Er befand sich in einer dunklen Diele, er ging weiter, da war ein Wohnzimmer und neben dem Wohnzimmer eine Küche. Dort standen zwei junge Männer in Jeans, unrasiert, mit Ohrring. Ihre Oberkörper waren nackt. Sie kochten etwas auf zwei Campingkochern und prüften, ob es gar war. Einer kümmerte sich um ein Pfännchen, der andere hatte den Deckel von einem Topf abgenommen, in dem er mit einem hölzernen Kochlöffel rührte. Es roch nach Gebratenem und nach Tomatensauce.
      Aber wo war das Mädchen? War es ihr gelungen, ihren Angreifern zu entkommen, oder hatten diese sie freigelassen? Oder hatte er sich getäuscht? Bedeutete die Szene, wie er sie im Stillen rekonstruiert hatte, etwas ganz anderes? Doch irgendetwas tief in seinem Instinkt veranlasste ihn, dem, was er sah, nicht zu trauen: zwei junge Männer, die das Abendessen zubereiteten. Eben die scheinbare Normalität war es, die ihn beunruhigte.
      Vorsichtig wie eine Katze begann Montalbano die gemauerte Treppe hinaufzugehen, die in den ersten Stock führte. Auf halber Höhe wäre er beinahe auf den mit losen Fliesen belegten Stufen ausgerutscht. Etwas Dickflüssiges, Dunkles hatte die Treppe verschmiert. Er bückte sich, berührte es mit der Spitze des Zeigefingers und roch daran: Er war zu erfahren, um nicht zu wissen, dass es Blut war. Sicherlich war es zu spät, das Mädchen noch lebend vorzufinden. Die beiden letzten Stufen fielen ihm fast schwer, schon jetzt lastete auf ihm, was zu sehen er sich vorstellte und was er dann tatsächlich sah.
    In dem einzigen erhellten Zimmer des oberen Stockwerks lag das Mädchen oder wenigstens das, was von ihm übrig war, auf dem Boden, vollkommen nackt. Immer noch vorsichtig, aber teils auch beruhigt, weil die Stimmen der beiden im Erdgeschoss weiterhin zu hören waren, trat er zu dem Leichnam. Sie hatten Feinarbeit mit dem Messer geleistet, nachdem sie sie vergewaltigt hatten, auch mit einem Besenstil, der blutverschmiert neben ihr lag. Sie hatten ihr die Augen herausgenommen, vom linken Bein die ganze Wade abgeschnitten, die rechte Hand amputiert. Sie hatten sogar angefangen, ihr den Bauch zu öffnen, hatten dann aber aufgehört.
      Um alles besser sehen zu können, hatte er sich hingehockt, und jetzt fiel es ihm schwer, wieder aufzustehen. Nicht weil er weiche Knie gehabt hätte, sondern aus dem entgegengesetzten Grund: Er spürte, wenn er sich aufrichtete, würde das Nervenbündel, zu dem er geworden war, ihn wie ein Stehaufmä nnchen bis an die Decke schnellen lassen. Er blieb so lange hocken, bis er sich beruhigt hatte, bis die blinde Wut, die ihn gepackt hatte, gebändigt war. Er durfte keinen Fehler machen, sie waren zwei gegen einen und hätten leichtes Spiel gehabt.
      Er schlich die Treppe hinunter und hörte wieder deutlich die Stimmen der beiden.
    »Die Augen sind fertig gebraten. Magst du eins?«

      »Ja, aber du musst auch ein Stück Wade probieren.« Der Commissario verließ das Haus, bis zum Auto schaffte er es nicht, er musste stehe n bleiben, um sich zu übergeben, wobei er versuchte, kein Geräusch zu machen und den Brechreiz zu unterdrücken, was ihm heftige Bauchschmerzen verursachte.

    Am Auto angekommen, öffnete er den Kofferraum, holte einen Benzinkanister heraus, den er immer dabei hatte, ging zum Haus zurück und schüttete ihn direkt hinter der Tür aus. Er war sicher, dass die beiden den Geruch des Benzins nicht wahrnehmen würden, da er von dem viel stärkeren Geruch eines gebratenen Augenpaares und einer gekochten oder vielleicht auch mit Sugo zubereiteten Wade überlagert wurde. Sein Plan war simpel: das Benzin anzünden und die Mörder zwingen, aus dem Küchenfenster an der Rückseite des Hauses zu springen. Dort würde er sie

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