Die Nacht des einsamen Träumers.
bin's, Montalbano. Du müsstest, vielleicht zusammen mit einem Kollegen, in Manifòs Wohnung gehen. Aber vorher musst du die Pförtnerin fragen, ob Signora Briguccio sie kürzlich um den Schlüssel der Manifòs gebeten hat, während der Lehrer außer Haus war.«
»In Ordnung, aber was soll ich da machen?«
»Eine Art Durchsuchung. Du musst im Arbeitszimmer die untersten Bücherreihen vorrücken und schauen, ob dahinter zufällig etwas liegt.«
»Ein Freund von mir hat seinen Whisky so aufbewahrt, weil seine Frau nicht wollte, dass er trank. Und wenn ich etwas finde?«
»Bringst du's mir ins Kommissariat. Ach ja, hast du herausgefunden, wer Eleonoras letzter Liebhaber oder letzter Verehrer war?«
»Ja, ich hab was.«
»Bis später.«
»Das haben wir gefunden«, sagte Mimi betrübt und holte einen hauchdünnen, sehr eleganten, aber zerrissenen rosa Damenslip aus der Jackentasche. Montalbano sah ihn sich an: Hineingestickt waren die Initialen E.B., Eleonora Briguccio.
»Warum hat Manifò ihn versteckt?«, fragte Augello.
»Nein, Mimi, du irrst dich. Nicht Manifò, sondern Eleonora Briguccio hat ihn hinter den Büchern versteckt, um ihn zu gegebener Zeit wieder herauszuholen. Apropos, hast du die Pförtnerin gefragt?«
»Ja. Zwei Tage bevor Briguccio auf den Lehrer geschossen hat, wollte Eleonora den Schlüssel haben, sie sagte, sie hätte in der Wohnung ihres Nachbarn etwas vergessen. Weißt du, Salvo, sie besuchten sich öfter, die Pförtnerin fand nichts dabei und gab ihr den Schlüssel, der ihr nach zehn Minuten wieder zurückgebracht wurde.«
»Eine letzte Frage, weißt du, mit wem Eleonora...«
»Salvo, das ist sehr merkwürdig. Angeblich verdreht Eleonora einem Jungen den Kopf, der noch keine achtzehn ist, dem Sohn von Rechtsanwalt Petruzzello, der...«
»Interessiert mich nicht. Kümmere du dich um den Jungen. Jetzt hör zu, und denk gut nach, bevor du antwortest. Das heißt, nein, antworte erst, wenn ich fertig bin. Also, anders als das sonst bei ihr ist, verliebt sich Eleonora Briguccio ernsthaft in Professore Manifò, den Nachbarn und Freund der Familie. Und sie gibt es ihm auf jede erdenkliche Art zu verstehen. Aber der Professore tut, als ob nichts wäre. Das läuft eine Weile so, sie wird immer wütender, er immer unnachgiebiger in seiner Ablehnung. Dann reist Manifòs Frau nach Denver. Bestimmt klopft Eleonora Briguccio, bei Tag und bei Nacht, wenn ihr Mann nicht da ist, an die Tür ihres Nachbarn, zwingt ihn zu öffnen, macht ihm immer wieder Avancen. Irgendwann muss er ihr eine solche Abfuhr erteilt haben, dass es für Eleonora eine unerträgliche Kränkung war. Sie beschließt, sich zu rächen. Ein genialer Plan. Sie überredet den Jungen, der in sie verknallt ist, die Plakate mit der Volksabstimmung zu drucken und zu kleben. Der tut, was sie sagt. Signor Briguccio, ein geduldiger Hahnrei, solange es keinen öffentlichen Skandal gab, ist gezwungen zu reagieren, zumal sich die ganze Stadt über ihn lustig macht. Als sie ihren Mann richtig zum Kochen gebracht hat, macht sich Eleonora an Teil zwei des Plans. Sie zerreißt einen Slip, versteckt ihn in der Bibliothek des Lehrers und erzählt dann ihrem Mann, Manifò habe sie in seine Wohnung gelockt und zu vergewaltigen versucht. Sie habe die Vergewaltigung verhindern können, als sie schon fast nackt gewesen sei. Und da habe Manifò sich gerächt und die Plakate drucken lassen. Briguccio bleibt nichts anderes übrig, als auf Manifò zu schießen, aber da er ein umsichtiger Mann ist, schießt er ihm nur in den osso pizziddro.«
»Die Geschichte mit dem Slip überzeugt mich nicht.«
»Eleonora wäre schon was eingefallen, um ihn vor Gericht zu präsentieren. Da, wo er lag, hätte er jahrelang bleiben können. Wenn überhaupt, werden Bücher doch nur beim Frühjahrsputz abgestaubt.«
»Warum wolltest du was von dem Jungen wissen?«
»Weil es so ist, wie ich es mir vorgestellt hatte. Eleonora hat ihn überredet, das zu tun, was sie wollte. Ein Erwachsener hätte vielleicht einen Rückzieher gemacht. Du fängst also heute noch an, diesen Jungen zu bearbeiten, bis er geständig ist. Erzähl das alles auch seinem Vater, lass dir von ihm helfen. Ich will mit dieser Geschichte nichts mehr zu tun haben.«
»Wolltest du mich nicht was fragen?«
»Ich frage dich jetzt gleich: Glaubst du, nach allem, was ich dir jetzt gesagt habe, dass Eleonora Briguccio zu so etwas fähig ist? Eine derart raffinierte Rache zu
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