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Die Nacht des Schierlings

Die Nacht des Schierlings

Titel: Die Nacht des Schierlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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sie hastig, «ja, mit Ingwer. Und mit Kardamom. Auch mit Orangenblütenwasser, habe ich gehört, soll die Schokolade ganz wunderbar schmecken. Sehr besonders, vornehm sogar. Das ist natürlich teuer, aber ein Löffelchen voll genügt schon. Rosenwasser wäre zu milde und ist noch teurer. Ich habe auch ein Rezept für einen Schokoladenlikör. Ja, dafür auch. Wenn es also recht ist …»
    «Ja, Molly, ein guter Vorschlag.» Magda Hofmann nickte nachdrücklich. «Es ist immer von Vorteil, Neuigkeiten anzubieten, und jetzt zum Herbst wird scharfgewürztes Konfekt gern gekauft. Dafür zahlen die Leute auch den teuren Preis für die Schokolade.»
    «Mir soll’s auch recht sein, Molly, Ingwer klingt gut zur Schokolade, und Likör trinken grad die gutbetuchten Damen gern.» Bruno Hofmann lehnte sich grinsend zurück. «Und ich hatte schon gedacht, jetzt kommt die Ankündigung von etwas wirklich Überraschendem.»
     
    N ur ein paar Minuten von der Hofmann’schen Konditorei am Rödingsmarkt entfernt, nämlich in einer Wohnung in der Mattentwiete auf der Cremon-Insel, fand das Frühstück an diesem Morgen eine Stunde nach Sonnenaufgang statt. Auch unterschied sich die Stimmung deutlich. Rosina und Magnus Vinstedt saßen allein am Tisch, ihr zartgeblümtes Negligé war ebenso wenig zur Arbeit in einer Werkstatt oder Backstube geeignet wie sein bequemer, gleichwohl eleganter Hausrock aus dunkelblauem Samt, es gab Tee und süßes Brot mit Quittengelee. Die Vinstedts waren ähnlich kurz verheiratet wie Meister Hofmann und seine Frau, und auch diese Ehe war von vielen als unpassend betrachtet worden, allerdings aus anderem Grund.
    Magnus Vinstedt war ein ordentlicher Bürger aus guter Familie, er hatte in Göttingen studiert und einiges von der Welt gesehen. Er war nicht wirklich wohlhabend zu nennen, aber bei halbwegs bescheidener Lebensführung konnte er recht behaglich von den Einkünften aus dem elterlichen Erbe leben. Von freundlichem Charakter und allerbesten Manieren, verbunden mit einigem diplomatischem Geschick, führte er hin und wieder diskret zu behandelnde Aufträge für die Ratsherren oder die Commerzdeputation aus.
    Seine Ehefrau, mit ihren etwa dreißig Jahren nur wenig jünger als er, war von ähnlicher, tatsächlich vornehmerer Herkunft, was aber nur wenige in der Stadt wussten. Denn Rosina Vinstedt war viele Jahre als Wanderkomödiantin mit der Becker’schen Gesellschaft durchs Land gezogen, sie war Schauspielerin, Tänzerin, Sängerin gewesen. Nein, nicht wirklich gewesen, dem Herzen nach war sie es immer noch. Sie war ihrer Sehnsucht nach einem festen Ort und nach der Rückkehr in das Leben, aus dem sie einst geflohen war, gefolgt, als sie sich mit ihrer Eheschließung vor anderthalb Jahren von der Bühne verabschiedet hatte. Aber damit war sie bald von einer neuen Sehnsucht eingeholt worden, nämlich von der nach der Rückkehr ans Theater. Nach dem Spiel, nach dem Unterwegssein.
    Sie seufzte, ohne es zu bemerken. Wenigstens war die Becker’sche Komödiantengesellschaft, für sie seit vielen Jahren, was anderen ihre Familie sein mochte, nun in der Stadt. Helena und Jean Becker, Prinzipalin und Prinzipal, hatten sich auf Rosinas und Magnus’ Plan eingelassen, sie würden zumindest für den Winter in der Stadt bleiben und im Kleinen Komödienhaus im Dragonerstall ein besonderes Programm spielen. Wenn Rosina auch nicht wieder selbst auf der Bühne stehen würde, war sie doch wieder dabei und mittendrin.
    Magnus lehnte sich zurück und blickte seine Frau mit liebevoller Aufmerksamkeit an. Sie war mit ihren Gedanken offenbar weit weg, er kannte das und nahm es nicht übel. Dennoch war er gerne an ihren Gedankenreisen beteiligt.
    «Du hast geseufzt», sagte er.
    «Oh. Tatsächlich?»
    «Tatsächlich.» Er nahm einen Schluck Tee, und als sie immer noch schwieg, fuhr er fort: «Du scheinst dir Sorgen zu machen. Als dein Mann will ich alles teilen, sag mir, worum es geht.»
    «Ich würde es nicht Sorgen nennen. Mir ging nur gerade durch den Kopf, wie wir die Miete für das Theater bezahlen sollen, wenn das Publikum ausbleibt. Natürlich glaube ich das nicht», fügte sie rasch hinzu, «so ein Theater gibt es hier sonst nicht, Tanz, Couplets, Kulissenzauber und Feuerwerk, von vorne bis hinten unterhaltsam. Trotzdem – man weiß es nie.»
    «Das Programm ist fabelhaft», versicherte Magnus. «Auch wenn Florinde nicht so gut ist wie du», es klang, als habe er seine Worte behutsam gewählt, «werden viele trotzdem

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