Die Nacht des schwarzen Zaubers
die ankommenden Fluggäste aus Europa bestaunten. Eine deutsche Reisegruppe marschierte gerade an Hansen vorbei – fünf Männer auf Urlaub, allesamt randvoll mit Erwartungen auf pikante Erlebnisse. Man sah es ihnen an. Sie musterten ungeniert die Mädchen, schnalzten mit der Zunge, und einer meinte in süffisantem Schwäbisch: »Die Mädle do höbe was unter de Blus, aufpaßt, 's kommet hitzige Däg …«
»Wer ist das, der mich erwartet?« fragte Hansen.
»Der Fahrer seiner Exzellenz, des Gouverneurs.« Der Soldat an der Sperre pfiff jetzt grell zwischen den Zähnen. Der wartende Mann drehte sich um und kam näher. Schon sechs Schritte vor Hansen begann er mit einer Serie von Verbeugungen.
»Laß gut sein, mein Junge«, sagte Hansen auf deutsch. »Auch wenn's vielleicht der Bandscheibe nicht schadet.« Und auf englisch: »Ist das auch kein Irrtum?«
Der Fahrer holte einen zerknüllten Zettel aus der Tasche, um sich zu vergewissern. »Mr. Titus Hansen?« Er sagte Titüß, mit jenem unverwechselbaren französischen Akzent, der auch die Insulanersprache, das Kreolische, färbte.
»Ja. Ich bin Titüß!«
»Dann ist es kein Irrtum. Bitte, folgen Sie mir, Sir. Für Ihr Gepäck ist gesorgt.«
Hoffentlich, dachte Hansen. Er sah sich um. Über die Piste rumpelte ein Wagen mit den Koffern, abenteuerlich übereinandergestapelt, ein schwankender Lederturm. Die schwäbische Reisegruppe wartete an der Gepäckausgabe. Man gab laut und ohne Hemmung deftige Kommentare über die Inselmädchen von sich. Diese Leute hatten offenbar weltweite Erfahrung, denn man verglich ›die Weible‹ mit den Puppen in Thailand oder mit den samtäugigen Schönen der Südsee.
Reisen bildet. Das ist ein alter, wahrer Spruch.
»Bitte, Sir«, mahnte der Fahrer. »Seine Exzellenz hat einen genauen Zeitplan.«
»Dann brausen wir los! Man soll Exzellenzen nicht warten lassen!« Titus Hansen folgte dem Fahrer vor das Flughafengebäude, setzte sich in die Polster des schwarzen Wagens und lächelte breit, als er sah, wie die Taxifahrer sich auf die neuen Fluggäste stürzten und ihr Auto mit wilden Gebärden und lauter Stimme anpriesen. Es muß ein Irrtum sein, dachte er. Ich kenne den Gouverneur überhaupt nicht.
Der Regierungssitz in Victoria bestand aus einem großzügig angelegten Gebäude, umgeben von einem herrlichen tropischen Park. Wie bei Regierungssitzen üblich, standen auch hier Soldaten am Eingang Wache, aber sie wirkten eher wie eine Verzierung, weniger militärisch als anderswo – ein paar Farbtupfer mehr in dieser farbenprächtigen Natur. Die Insel der Liebe hatte man die Seychellen einmal genannt. Nicht ohne Grund. Es war, als wirke ein geheimnisvoller Zauber hinein ins tägliche Leben, als schwebe über allen Dingen ein Hauch von Glückseligkeit, den man einatmen konnte wie einen betörenden Duft.
Sir James Bullock empfing Titus Hansen unverzüglich. Er war mittelgroß und schlank, durch und durch britisch, mit einem saubergeschnittenen blondweißen Lippenbart im schmalen Gesicht. Er war sehr elegant gekleidet, ohne aufdringlich zu wirken, auch sehr zurückhaltend in seinen Gesten. Es war eine Art von Kühle um ihn, die Distanzen schuf, aber auch Vertrauen einflößte. Sir Bullock kam Hansen entgegen und schüttelte ihm die Hand. Dies wohl nur, weil Hansen Deutscher war und Händeschütteln zum deutschen Wesen gehört. Er zeigte dann auf einen mit Brokat bezogenen Sessel und setzte sich erst, als Hansen Platz genommen hatte. Die Klimaanlage summte leise. Es war angenehm kühl in dem großen Raum. Von der Schmalwand, hinter dem breiten Schreibtisch, lächelte verhalten Königin Elisabeth aus einem Mahagonirahmen. Eine Fahne, der Union Jack, lehnte in der linken Ecke.
»Sie werden sich wundern, daß ich Sie zu mir gebeten habe«, begann Sir Bullock die Unterredung. Eine Ordonnanz servierte Fruchtsäfte und Whisky, dann blieb sie an der Tür stehen.
»Ich halte es noch immer für einen Irrtum, Exzellenz«, sagte Hansen. »Ich bin zwar das vierte Mal auf Mahé, aber das ist kein Grund, vom Gouverneur persönlich empfangen zu werden.«
Sir Bullock lächelte höflich über diesen Scherz und lehnte sich zurück. »Sie kennen unsere Inseln gut?«
»Gut wäre übertrieben. In der Gegend war ich 1943 schon einmal. Allerdings unter Wasser. Wir haben hier den französischen Frachter Hirondelle versenkt. Fünftausendsechshundertachtzig Tonnen.«
»U-Boot-Soldat?«
»Leutnant zur See, Exzellenz.«
»Ich war Kommandant eines
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