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Die Nacht des schwarzen Zaubers

Die Nacht des schwarzen Zaubers

Titel: Die Nacht des schwarzen Zaubers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Charakter zermürben. Wir haben deshalb an die Insel Aimée gedacht.«
    »Exzellenz!« Hansen legte die Hände ineinander. Sie zitterten plötzlich. »Sie wollen eine Ausnahme machen?«
    »Aimée ist zur Zeit von dreihundertzweiundvierzig Eingeborenen und einem gewissen Dr. Rank bewohnt.« Sir Bullock streifte vorsichtig die weiße Asche ab. »Auch so ein Sonderling. Arzt aus Wales. Seit zwanzig Jahren auf der Insel. Ein, ich möchte mich vorsichtig ausdrücken, vom Alkoholismus gezeichneter Mensch. Auf Aimée könnten wir der Familie Baumann ein Stück Land verpachten. Zur Probe, mit dem Recht des jederzeitigen Widerrufs. Und mit der Verpflichtung, darüber Stillschweigen zu wahren.«
    »Das ist ein großherziges Angebot, Exzellenz.« Hansen erhob sich. Erreicht, dachte er. Wenn die Baumanns in Victoria an Land gehen, haben sie bereits ihr Paradies gefunden. »Darf ich mir eine Frage erlauben?«
    »Bitte.«
    »Warum kümmert sich der Gouverneur selbst um einen solchen Fall?«
    »Ich habe mich nach Vorlage der Anträge informiert.« Sir Bullock blickte an Hansen vorbei auf das Bild der britischen Königin. Sein schmales Gesicht war sehr ernst. »Leukämie ist eine teuflische Krankheit. Und dann – ein vierzehnjähriger Junge! Wenn man selbst Vater von drei gesunden Söhnen ist, wird man sehr nachdenklich, Mr. Hansen.«

4
    Mitte Oktober fuhr die Öresund in den Hafen von Victoria auf Mahé ein. Ihre Nebelhörner heulten zur Begrüßung, die Fahnengirlanden, die man aufgezogen hatte, knatterten im Wind. An der Reling standen die Passagiere und sahen hinüber zu den Granitbergen, die steil ins Meer abfielen. Sie bewunderten die Palmenwälder und die mit Blütenbüschen überwucherten Hänge. Einige zeigten auf die Buchten mit dem goldgelben Sandstrand und auf das Gewimmel der Eingeborenenboote, die seitlich des Haupthafens eine kleine, schwimmende Stadt bildeten.
    Die Familie Baumann stand oben auf dem Promenadendeck an der Reling. Die lange Seereise hatte Volker gut überstanden. Ein Schwächeanfall hatte sich nicht wiederholt, das ständige leichte Fieber aber war geblieben, trotz der Injektionen, die der Schiffsarzt nach dem Behandlungsplan der Klinik zwei Wochen lang jeden Tag gab.
    Aber niemand sprach mehr darüber. Vater und Sohn hatten ein heimliches Abkommen getroffen: Es gibt für uns keine Krankheit mehr. Es gibt nur unsere Zukunft, die Verwirklichung des großen Traumes. Wir suchen ein Paradies.
    Der Anblick von Victoria war ein wenig ernüchternd. Baukräne überall, ein großer Hotelkomplex am Hafen im Rohbau, ein Gewimmel von flachen Häusern, nach allen Seiten sich ausdehnende Siedlungen, Reklametafeln mit grellen Werbebildern bekannter Firmen, das Dröhnen von Dampfhämmern und riesigen Rammern, die Eisenträger für die Erweiterung des Hafens in den Meeresgrund trieben. Aber über allem lag ein unendlich klarer Himmel, und wo die Palmenwälder begannen, außerhalb der Stadt, in den weißschimmernden Buchten, die man bei der Anfahrt mit dem Fernglas sehen konnte, dort ahnte man die Schönheit eines Stückchens Erde, das man nicht umsonst den ›letzten Garten Eden‹ nannte.
    Titus Hansen stand am Kai, als die Öresund festmachte. Er winkte mit beiden Armen und zeigte dann auf einen alten klapprigen Lastwagen, der hinter ihm, eingekeilt von aufgeregt winkenden Menschen, wartete. »Titus!« sagte Baumann, der Hansen zuerst entdeckte. »Das habe ich geahnt! Wir gehen an Land, und seine Organisation rollt ab wie ein Automat. Ich wette, daß er schon ein Haus gemietet hat!«
    »Willkommen in Victoria!« rief Hansen, als nach einer Stunde endlich die Gangway ausgefahren und die Öresund vertäut war. Kofferträger rannten an Bord. Die Taxifahrer bildeten, wie jeden Sonntag am Flugplatz, eine massive Mauer und lobten schreiend ihre Fahrzeuge. Die ersten Souvenirhändler stürzten sich auf die von Bord gehenden Passagiere. Die einen boten Ketten aus Muscheln an, die anderen Plastikkuverts mit den schönen bunten Seychellen-Briefmarken, mumifizierte Barrakudas, wie man die gefährlichen Raubfische hier nannte. Man sah außerdem sehr schlichte, aber wundervolle Schnitzereien aus Palmholz und aus Kokosschalen.
    Die Baumanns hatten sich bei den Händen gefaßt, und so betraten sie die neue Heimat, eine kleine Menschenkette, als wollten sie damit ausdrücken: Wir werden immer zusammenhalten. Uns kriegt keiner unter! Wir sind auf alles gefaßt.
    »Ich habe gewettet, daß du schon ein Haus für uns hast«, sagte

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