Die Nacht gehört dem Drachen (German Edition)
Mama … von Fiona glänzte wie Kupfer und Gold.«
Draußen ist es bedeckt und regnerisch.
»Damals wusste ich noch nicht, dass sie krank war. Das war, bevor … bevor …« Ich breche ab, weil ich auf keinen Fall darüber reden will. »Ich glaube, wir wohnten damals noch nicht lange dort«, sage ich stattdessen.
»War es so, als du noch mit Fiona und deinem Vater zusammen wohntest, bevor ihr zu deinen … ihren Eltern gezogen seid?«, fragt Miss Winters zögernd. Sie ist klug genug, mich dabei nicht anzuschauen, sondern richtet den Blick auf Miranda .
Ich zucke mit den Schultern, versuche es auf die lässige Art. »Weiß ich nicht mehr«, lüge ich. »Ich weiß nur noch, dass ich damals in der Küche rundum glücklich war. Das war ein ganz neues Gefühl. Niemand von uns war glücklich gewesen … Als wir damals die Haustür hörten, begann Fiona zu weinen. Dann wusch sie ab. Geschirr vom Abtropfgestell. Sauberes Geschirr.«
Ich gebe mich der Hoffnung hin, genug erzählt zu haben, aber Miss Winters hakt gleich wieder nach: »Warum ist Fiona nach dem Tod deines Vaters zu ihren Eltern gezogen? Was meinst du?«
Ich stöhne innerlich. Ich weiß, dass ich dieses Thema nur vermeiden kann, indem ich ihr weismache, keine Angst davor zu haben. Ich muss also noch ein wenig erzählen. »Sie haben sie vermutlich aufgefordert, zu ihnen zu ziehen. Und ohne die Unterstützung meines Vaters hat sie sich sicher nicht dagegen gesträubt. Sie hat einfach brav gehorcht«, sage ich knapp und hoffe wider besseres Wissen, dass Miss Winters die Sache angesichts meiner Verärgerung auf sich beruhen lässt. Ich tue so, als hätte ich etwas unter einem Fingernagel.
»Du denkst sicher ungern daran, Evie, aber du solltest dir bewusst machen, dass sie Fiona während ihrer Jugend mit großer Sicherheit das Gleiche angetan haben wie dir.«
Miss Winters scheint genau wie Amy und Paul davon auszugehen, dass ich Mitleid mit Fiona hätte, wenn ich das glauben würde. Sie kapieren nicht, dass das, was Fiona getan hat, dann noch schlimmer wäre – denn wenn das stimmen würde, hätte Fiona von Anfang an alles gewusst und nicht nur Augen und Ohren verschlossen und so getan, als wäre nichts passiert. Dann hätte sie alles gewusst. Und wäre trotzdem jedes Mal in die Küche gegangen, um sauberes Geschirr zu spülen, damit sie nicht eingreifen musste, damit sie so tun konnte, als wäre sie mit etwas anderem beschäftigt, als gäbe es auf der ganzen Welt nichts Wichtigeres als das Abspülen.
»Vielleicht hatte Fiona Angst vor ihren Eltern – und zwar schon lange, sehr lange – und konnte sich deshalb nicht gegen sie wehren. Ich will das, was sie getan hat, in keiner Weise schönreden«, setzt Miss Winters rasch hinzu, »aber vielleicht kann man ihr Verhalten so ein bisschen erklären.«
Ich bohre den Nagel meines Zeigefingers unter den Nagel des linken Daumens. Ich würde am liebsten sagen, dass ich alles verstehe, was es da zu verstehen gibt. Fiona war feige. Sie ist mit mir zu ihren Eltern zurückgekehrt, weil ich ein Schutzschild für sie war.
»Wäre es nicht denkbar, dass Fiona sich aufgrund der Krebs-Diagnose zu einer Rückkehr überreden ließ? Weil sie wusste, dass sie nicht mehr lange leben würde?«
Der Splitter unter dem Daumennagel ist hartnäckig. Ich beiße vergeblich daran herum, versuche zu verdrängen, dass Miss Winters von Amy mehr über Fiona erfahren zu haben scheint, als ich geahnt habe. Miss Winters sitzt da, wartet geduldig auf eine Antwort.
»Und was hätte das ändern sollen?«, frage ich schließlich.
»Sie hoffte vielleicht …«
»Sie wusste ganz genau, was passieren würde«, fauche ich, bevor Miss Winters fortfahren kann. »Sie ist nicht dorthin gezogen, damit ihre Eltern auf mich aufpassen konnten.«
»Aber du begreifst, dass sie um deinen Vater getrauert hat, oder? Menschen, die verzweifelt – und außerdem krank – sind, können verrückte Sachen anstellen.«
»Sie haben sie aufgefordert, bei ihnen einzuziehen, und sie hat es getan. So war das. Sie hat brav gehorcht. Sie hat ihren Eltern immer brav gehorcht.« Ich lutsche am Fingernagel, um nichts mehr sagen zu müssen. Meine Zunge fährt über die raue Kante. Ich schlucke das nach Eisen schmeckende Blut.
»Aber sie hat deinen Vater geheiratet, Evie«, erwidert Miss Winters. »Wenn ich das, was du andeutest, richtig verstehe, geschah das gegen den Willen ihrer Eltern.«
»Das war Dads Idee«, sage ich und pule wieder mit dem rechten
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