Die Nacht im Stau (German Edition)
sehr in einem ganz bestimmten Fahrwasser: Die Heirat ist geplant, an Familiengründung wird gedacht.
D ie Zukunft scheint sonnenklar und unverrückbar.
Vor einem knappen halben Jahr, zeitlich mit ihrem Arbeitsantritt und ihrem ersten Gehalt, war sie von ihrer Studentenbude in eine hübsche Zwei-Zimmer-Wohnung im selben Haus umgezogen. In weiser Voraussicht hatte nur sie die Wohnung gemietet. Sie fand es einfach besser, nicht mit Robert zusammen als Mieter aufzutreten. Zunächst würde ihr Verlobter ohnehin nicht mit in die Wohnung einziehen, da er seine allein stehende Mutter noch eine Weile bei körperlich schweren Arbeiten unterstützen wollte. Außerdem war er der Ansicht, dass er sich bei sich zu Hause besser aufs Lernen konzentrieren konnte.
„Wenn du ständig um mich herum wärst, würde ich mich viel zu leicht a blenken lassen“, scherzte er.
Ein weiterer, für Robert aber sehr w ichtiger Punkt war, dass er nicht finanziell von Sonja abhängig sein wollte. So lange er diese Ausbildung machte verdiente er keine Cent, konnte also auch nichts zur Miete beisteuern. Und sich von ihr aushalten lassen – nein, das ließ sein Rollendenken nicht zu.
Es war Sonja nur recht gewesen, dass ihr Freund so argumentierte. Bei aller Zukunftsplanung nagten immer noch genügend Zweifel an ihr.
In d iesen letzten Monaten waren die Streitereien zwischen ihr und Robert ungebremst weiter gegangen, ja sie nahmen sogar zu. Beim Anbringen der Stofftapete an der Wand hinter dem neu gekauften Doppelbett im Schlafzimmer kippte die Leiter um und schlug eine Macke ins Holz.
„Wie kann man die auch nur so blöd aufstellen“, raunzte er sie an.
Sonja schaute ihn verblüfft an. Sie war sich absolut keiner Schuld bewusst. War nicht er es gewesen, der die Leiter von der einen Stelle zur anderen gestellt hatte? Hätte er nicht darauf aufpassen müssen, ob sie korrekt stand? Ihm war es doch zuzuschreiben, dass das von ihr gekaufte Bett nun beschädigt war!
Ein Wort gab das andere und schon befanden sie sich wieder im schönsten Knatsch.
„Mir stinkt diese Wohnung jetzt schon bis zum Hals“, schnaubte Roberts, bevor er an jenem Tag aus der Wohnung
stieb.
Verärgert blieb Sonja zurück. Nachdem die erste Wut abgeflaut war, setzte die Vernunft ein.
Klar, es deprimierte Robert, dass nun sie das Geld verdiente, während er als armer Student kein Einkommen besaß. Alle Neuanschaffungen waren von ihrem Gehalt bezahlt worden. Aber hatte sie ihn denn nicht in sämtliche Entscheidungen mit einbezogen? Sie hatten doch gemeinsam die Möbelhäuser durchkämmt, den Wohnzimmerschrank und das Schlafzimmer ausgesucht. War sie denn Schuld an der momentanen Lage? Das war doch eine vorübergehende Situation, eine Durststrecke, die sie gemeinsam bewältigen mussten, bevor ihr finanziell gleichgestelltes Leben begann!
Warum nur bekam Robert diese blöden Minderwertigkeitsgefühle nicht in den Griff? Wie das Sonja nervte! Sollte man nicht meinen, dass ein Mann mit dreiundzwanzig allmählich erwachsen wurde? Robert war doch kein Jüngling mehr! Konnte man nicht ein bisschen mehr Reife erwarten? Das Studium musste doch auch dabei helfen, sein Selbstwertgefühl zu steigern. Sie hatte keine Lust, sich dauernd diesen kräftezehrenden Machtkämpfen auszusetzen.
In solchen Situation verfiel sie oft in einen unguten Trotz und wartete auf seine Entschuldigung. Robert seinerseits tat das gleiche. Tage vergingen, in denen jeder von beiden darauf wartete, der andere möge sich zuerst melden.
Kaum hatten sie sich versöhnt , folgten die nächsten Beleidigungen. Sie sei zu blöd um zu helfen, sei ein ‚dummer Datschkopf ‘ verspottete Robert sie, als sie beim Möbelaufbauen ihren Kopf anschlug und so starke Schmerzen verspürte, dass ihr speiübel wurde.
Bei solchen Streitereien trat eine Bitterkeit zutage, eine Art Vergeltung für frühere Beschuldigungen, hervorgegangen aus tiefster Verzweiflung, die sich nicht abschütteln ließen. Halbbewusst sammelte jeder nach dem Streit Material gegen den a nderen ein und so kam es erneut zu Beleidigungen, die sich nicht zurücknehmen ließen.
Das einzig wirklich Schöne in diesen letzten M onaten war für Sonja die Arbeit in der Schule gewesen, der tägliche Unterricht, die quirlige 5. Klasse, in der sie Klassenlehrerin war, die Offenheit dieser Kinder, ihre pulsierende Lebensfreude. Das trug und befriedigte ungemein. Sonja war glücklich, denn sie wusste, dass sie wirklich ihren Traumberuf gefunden hatte. Hinter
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