Die Nacht trägt dein Gesicht
wenn du mir später die Dessous vorführst«, grinste er frech.
»Oh, ich weiß, dass Ihre Freundin einfach hinreißend darin aussehen wird. Wie diese wunderschöne Schauspielerin Gemma Hunter. Ich finde, Ihre Freundin hat sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit ihr, finden Sie nicht auch?«
Jon räusperte sich verlegen und meinte: »Ich finde, meine Freundin sieht sogar noch hübscher aus.«
In einem Kosmetikstudio mit diskretem Personal ließ Gemma sich das Veilchen überschminken, so konnte sie anschließend auf die große Sonnenbrille verzichten, die bei diesen nebeligen Ostküsten Novemberwetter ohnehin etwas albern gewirkt hatte.
Gemma gefiel es , unerkannt durch die Straßen zu bummeln, mit einem starken Mann an ihrer Seite, der ihr Sicherheit und Schutz gab. Sie aßen bei einem Italiener in der Thames Street zu Mittag, auch hier wurde sie von niemandem erkannt. Es war, als würde Newport nach seinen eigenen Gesetzen leben, das ließ die große weite Welt da draußen ganz unbedeutend erscheinen.
Bevor sie nach Hause fuhren, besorgte Jon noch einige Lebensmittel, die bis zum Ende der Woche reichen sollten. Erst am Samstag wollte er wieder in die Stadt fahren, um Nachschub zu besorgen.
»Was hältst du davon, wenn wir später ein wenig am Meer entlangspazieren ?«, fragte er auf dem Nachhauseweg.
»Ja gerne, ich möchte mich nur schnell umziehen. So kommen die warmen Pullis direkt zum Einsatz.«
***
In meinen Armen bräuchtest du nicht zu frieren, ging es Jon durch den Kopf, doch er sprach es nicht laut aus. Es hatte ihm Spaß gemacht, Gemma zu begleiten. Wie anders sie sich doch gab, wenn sie sich unbeobachtet fühlte.
Für einen kurzen Moment wünschte er sich, es könnte immer so sein, doch dann besann er sich wieder und machte sich klar, dass Gemma in eine r ganz anderen Welt lebte, in der ein Kuss gar nichts bedeutete. Jemanden zu küssen war Routine, fast ein Werkzeug, dessen man sich bediente, etwas, was man einstudierte, um seine Rolle gut zu spielen. Das Beste wäre, beide Küsse einfach zu ignorieren, als hätte es sie nie gegeben.
***
Jons Haus stand am unteren Zipfel der Landzunge, dort wo der Cliff Walk entlangführte bis hin zum Strand. Am Ende der Ledge Road befand sich eine Bank, die er liebte. Auf der ließ Gemma sich nieder, um auf den Atlantik hinauszuschauen.
Es begann bereits zu dämmern, was nicht unüblich für einen diesigen Novembertag war. Auf den riesigen Steinen, die am Ufer und im Meer lagen, standen noch Angler, die ihre Ruten ausgeworfen hatten, das Meer lag ruhig vor ihnen.
»An manchen Tagen gibt es hier meterhohe Wellen«, erklärte Jon und machte es sich neben Gemma auf der Bank bequem. Sie trug einen dicken Pullover, darüber eine Regenjacke und einen Wollschal. So eingepackt sah man fast nur noch ihre Augen, die wieder an Glanz gewonnen hatten.
»Du bist zu beneiden, hier aufgewachsen zu sein«, meinte Gemma und beobachtete einige Pazifiktaucher, wie sie auf den rutschigen Steinen saßen und darauf warteten, einen Fisch abzubekommen. Doch nach einiger Zeit machte sich auch der letzte Angler in der frühen Dunkelheit auf den Nachhauseweg und die Vögel zogen sich in den Schutz ihrer Nester zurück.
»Als Kind war Newport für mich nur ein kleines Kaff, das ich so schnell wie möglich verlassen wollte. Erst als meine Eltern in ein Altenheim zogen und mir das Haus überließen, bin ich vor zwei Jahren wieder hierhergezogen. Wenn es die Zeit zulässt, wohne ich hier, was bei meinem Beruf allerdings eher selten der Fall ist.«
»Ich würde alles dafür geben, so einen Ort zu finden, an dem ich mich zu Hause fühle n könnte.«
»Du hast doch dein Haus in Kalifornien«, wandte Jon ein.
» Das ist auch nur eine Station von vielen und nicht das, was ich mir unter einem Zuhause vorstelle. Dein Haus ist aber so ein Ort.«
Eine Weile schauten beide aufs Meer und hingen ihren Gedanken nach.
»Ich werde mich scheiden lassen«, sagte Gemma in die Dunkelheit hinein, die beide langsam einzuhüllen begann, »so schnell wie möglich.«
Jon wandte sich ihr zu. »Das ist die einzig richtige Entscheidung, das weißt du, oder?«, versuchte er Gemma den Rücken zu stärken.
Sie nickte. »Ich danke dir dafür, dass du es mir vor Augen geführt hast. Ich habe das alles viel zu lange ertragen, nie schien es einen Grund zu geben, der mich zu einem so gewaltigen Schritt veranlasst hätte.«
»Und nun gibt es ihn?«
Sie nickte wieder und griff nach seiner Hand. » Es gab ihn
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