Die Nacht Von Lissabon
sehr chic -‹
›Danke‹, erwiderte ich. ›Ich brauche jetzt keinen Koffer mehr. Ich brauche Glück.‹
›Wir halten die Daumen.‹
Helen war vorangegangen. Ich hörte, wie eine nasse
Hure ihr vor der Tür gerade riet, zu Hause zu bleiben; der Regen habe das Geschäft verdorben. Gut, dachte ich; die Straßen konnten gar nicht leer genug für mich sein. Helen stutzte, als sie den Wagen sah. ›Gestohlen‹, sagte ich. ›Wir müssen so weit wie möglich damit kommen. Steig ein.‹
Es war noch dunkel. Der Regen floß in Strömen an der Windschutzscheibe herunter. Wenn noch Blut auf dem Trittbrett war, wurde es jetzt heruntergewaschen. Ich hielt ein Stück vom Hause entfernt, wo Gregorius wohnte. ›Stell dich hier unter‹, sagte ich zu Helen und zeigte auf das gläserne Vordach eines Geschäftes, das Sachen für Angler zeigte.
›Kann ich nicht sitzenbleiben?‹
›Nein. Wenn jemand kommt, tu so, als ob du auf Kunden wartest. Ich bin gleich zurück.‹
Gregorius war fertig. Seine Angst hatte jetzt dem Stolz des Künstlers Platz gemacht. ›Die Schwierigkeit war die Uniform‹, sagte er. ›Sie haben ja einen Zivilanzug an. Sehen Sie. Ich habe ihm einfach den Kopf abgeschnitten.‹
Er hatte Georgs Foto gelöst, Kopf und Hals ausgeschnitten, die Uniform auf mein Foto gelegt und die Montage fotografiert.
›Obersturmbannführer Schwarz‹, sagte er stolz. Er hatte die Kopie bereits getrocknet und eingefügt. ›Der Stempel ist leidlich geglückt. Wenn man ihn genau untersucht, sind Sie ohnehin verloren - sogar wenn er echt wäre. Hier ist Ihr alter Paß unbeschädigt zurück.‹
Er gab mir beide Pässe und die Reste von Georgs Fotografie. Ich zerriß das Foto, während ich die Treppe hinunterging, in kleine Teile und zerstreute sie draußen in das Wasser, das durch die Gosse schoß.
Helen wartete. Ich hatte den Wagen vorher kontrolliert; der Tank war voll. Wenn es gutging, konnte ich mit dem Benzin über die Grenze kommen. Mein Glück hielt an - in der Schublade am Schaltbrett lag ein Carnet zum Grenzübertritt, das schon zweimal benutzt worden war. Ich beschloß, die Grenze nicht da zu überfahren, wo der Wagen schon einmal gewesen war. Ich fand auch eine Michelinkarte, ein Paar Handschuhe und einen EuropaAtlas für Automobile.
Der Wagen fuhr durch den Regen. Wir hatten noch einige Stunden bis zum Hellwerden und fuhren in die Richtung Perpignan. Bis es hell war, wollte ich auf der Hauptstraße bleiben. ›Soll ich fahren?‹ fragte Helen nach einiger Zeit. ›Deine Hände!‹
›Kannst du es? Du hast nicht geschlafen.‹
›Du auch nicht.‹
Ich sah sie an. Sie sah frisch und ruhig aus. Ich begriff es nicht.
›Willst du einen Schluck Kognak?‹
›Nein. Ich werde fahren, bis wir Kaffee bekommen können.‹
›Lachmann hat mir noch eine Flasche Kognak gegeben.‹ Ich holte sie aus dem Mantel. Helen schüttelte den Kopf. Sie hatte die Spritze.
›Später‹, sagte sie mit sehr sanfter Stimme. ›Versuche zu schlafen. Wir wollen abwechselnd fahren.‹
Helen fuhr besser als ich. Nach einer Weile begann sie zu singen, monotone, kleine Lieder. Ich war sehr gespannt gewesen; jetzt begannen das Summen des Wagens und der halblaute Singsang mich einzuschläfern. Ich wußte, daß ich schlafen mußte, aber ich fuhr immer wieder auf. Die Landschaft flog grau vorbei, und wir brauchten die Scheinwerfer, ohne uns um Verdunklungsvorschriften zu kümmern.
›Hast du ihn getötet?‹ fragte Helen plötzlich.
›Ja.‹
›Mußtest du es?‹
›Ja.‹
Wir fuhren weiter. Ich starrte auf die Straße und dachte an vieles, und dann war ich weggesackt wie ein Stein. Als ich wieder aufwachte, hatte der Regen aufgehört. Es war Morgen, der Wagen summte, Helen saß am Steuer, und ich hatte das Gefühl, ich hätte alles geträumt. ›Es ist nicht wahr, was ich gesagt habe‹, sagte ich.
›Ich weiß‹, erwiderte sie.
›Es war ein anderer‹, sagte ich.
›Ich weiß.‹
Sie sah mich nicht an.«
18
»Ich wollte am letzten größeren Ort vor der Grenze ein spanisches Visum für Helen bekommen. Die Menge vor dem Konsulat war erdrückend. Ich mußte riskieren, daß der Wagen schon gesucht würde; eine andere Möglichkeit gab es nicht. Georgs Paß enthielt ein Visum.
Ich fuhr den Wagen langsam heran. Die Menge bewegte sich erst, als sie die deutsche Nummer erkannte. Sie teilte sich vor uns. Eine Anzahl Emigranten flüchtete. Der Wagen drängte sich durch eine
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