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Die Nacht Von Lissabon

Die Nacht Von Lissabon

Titel: Die Nacht Von Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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stellen willst du auch noch, was?‹ fragte er.
      ›Ich stelle keine Bedingungen‹, erwiderte ich. ›Aber wenn Sie Helen nach Deutschland zurückbringen, wird sie wieder weglaufen oder sich das Leben nehmen.‹
    ›Blödsinn!‹ schnaubte Georg.
      ›Helen ist das Leben ziemlich gleichgültig‹, sagte ich. ›Sie weiß, daß sie Krebs hat und unheilbar ist.‹
      Er starrte mich an. ›Du lügst, du Aas! Sie hat ein Frauenleiden, keinen Krebs!‹
      ›Sie hat Krebs. Als sie das erstemal in Zürich operiert wurde, hat man es erkannt. Es war schon damals zu spät. Man hat es ihr gesagt.‹
    ›Wer?‹
    ›Der Mann, der sie operiert hat. Sie wollte es wissen.‹
      ›So ein Schwein!‹ brüllte Georg. ›Aber ich werde auch das Luder fassen! Wir werden in einem Jahr die Schweiz deutsch gemacht haben! So ein Unmensch!‹
      ›Ich wollte, daß Helen zurückginge‹, sagte ich. ›Sie hat sich geweigert. Aber ich glaube, daß sie es täte, wenn ich ihr sagen würde, daß wir uns trennen müßten.‹
    ›Lächerlich!‹
    ›Ich könnte es so scheußlich machen, daß sie mich für ihr Leben hassen würde‹, sagte ich.
      Ich sah, wie Georgs Gedanken arbeiteten. Ich hatte mich auf meine Hände gestützt und beobachtete ihn. Eine Stelle zwischen meinen Brauen schmerzte, so sehr versuchte ich, ihm meinen Willen aufzudrängen.
    ›Wie?‹ erwiderte er schließlich.
      ›Sie fürchtet sich, daß man ihre Krankheit kennt und sich vor ihr ekelt. Wenn ich ihr das sagen würde, wäre sie für immer fertig mit mir.‹
      Georg überlegte. Ich konnte jedem seiner Gedanken folgen. Er sah, daß dieser Vorschlag der günstigste für ihn war. Selbst wenn er Helens Adresse aus mir herausfolterte, würde sie ihn nur noch mehr hassen; wenn ich mich dagegen wie ein Schuft gegen sie benähme, würde sie mich hassen, und er würde als der Retter auftreten können mit: ›Habe ich es dir nicht immer gesagt?‹
    ›Wo wohnt sie?‹ fragte er.
      Ich nannte eine falsche Adresse. ›Das Haus hat ein halbes Dutzend Ausgänge‹, sagte ich, ›durch Keller und verbundene Straßen. Sie kann leicht fliehen, wenn Polizei käme. Sie wird nicht fliehen, wenn ich allein komme.‹
    ›Oder ich‹, erklärte Georg.
      ›Sie würde glauben, Sie hätten mich getötet. Sie hat Gift.‹
    ›Quatsch!‹
    Ich wartete. ›Und was willst du dafür?‹ fragte Georg.
    ›Daß Sie mich laufen lassen.‹
    Er lächelte eine Sekunde. Es war, als zeige ein Tier die Zähne. Ich wußte sofort, daß er mich nie loslassen würde. ›Gut‹, sagte er dann. ›Du kommst mit mir. Damit du keine Tricks machst. Du wirst es ihr sagen, während ich dabeistehe.‹ Ich nickte. ›Los!‹ Er stand auf. ›Wasch dich an dem Hahn da.‹
    ›Ich nehme ihn mit‹, sagte er zu einem der Bullen, der in einem Zimmer mit Geweihen sich herumlümmelte. Der Bulle salutierte und öffnete die Tür zu Georgs Wagen. ›Hier, neben mich‹, sagte Georg.
    ›Kennst du den Weg?‹
      ›Nicht von hier. Von der Cannebière aus.‹ Wir fuhren in die windige und kalte Nacht. Ich hatte gehofft, mich irgendwo, wenn das Auto langsamer fahren oder halten mußte, aus dem Wagen fallen zu lassen; aber Georg hatte meine Tür abgeschlossen. Rufen hätte auch nichts genützt; niemand kam einem Menschen, der aus einem deutschen Wagen rief, zu Hilfe, und bevor ich aus einer Limousine mit geschlossenen Fenstern zweimal hätte rufen können, wäre ich von Georg bewußtlos geschlagen worden.
      ›Mensch, hoffe, daß du die Wahrheit gesagt hast‹, knurrte er. ›Sonst lasse ich dich abhäuten und in Pfeffer legen.‹
      Ich hockte zusammengesunken auf meinem Sitz und ließ mich vornüberfallen, als der Wagen einmal überraschend vor einem unbeleuchteten Karren bremste. ›Markiere keine Ohnmacht, Feigling!‹ schnauzte Georg.
      ›Mir ist schwach‹, sagte ich und richtete mich langsam hoch.
    ›Jammerlappen!‹
      Ich hatte die Fäden meines Hosenaufschlags aufgerissen. Beim zweiten Bremsen konnte ich die Rasierklinge greifen; beim dritten, bei dem ich den Kopf gegen die Windschutzscheibe stieß, konnte ich sie im Dunkeln des Wagens in die Hand bekommen.«
    Schwarz blickte auf. Ein feiner Schweiß bedeckte seine Stirn. »Er hätte mich nie losgelassen«, sagte er.
    »Glauben Sie das nicht auch?«
    »Natürlich nicht.«
      »An einer Kurve rief ich, so scharf und laut ich konnte: ›Achtung! Links!‹
      Der unerwartete Schrei wirkte, bevor Georg denken konnte. Sein Kopf

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