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Die Nacht Von Lissabon

Die Nacht Von Lissabon

Titel: Die Nacht Von Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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Formalität nahmen wir Abschied.
      Ich lehnte mich zurück. Der Grat und die Wolken verschwanden. Ein fremdes Land lag vor uns; ein Land, das nicht mehr wie Europa aussah. Wir waren noch nicht entkommen, aber zwischen Frankreich und diesem Land lag ein Abgrund. Ich sah die Straßen, die Esel, die Leute, die Trachten, die harte, steinige Landschaft - wir waren in Afrika. Dies war der wirkliche Westen, jenseits der Pyrenäen, das fühlte ich. Dann sah ich, daß Helen weinte.
    ›Nun bist du da, wohin du wolltest‹, flüsterte sie.
      Ich wußte nicht, was sie meinte. Ich war noch zu voll von Unglauben, daß alles so leicht gegangen war. Ich dachte an die Höflichkeit, die Grüße, das Lächeln - zum erstenmal seit Jahren hatte ich das wieder getroffen, und ich hatte töten müssen, um wie ein Mensch behandelt zu werden. ›Weshalb weinst du?‹ fragte ich. ›Wir sind noch nicht gerettet. Spanien ist voll von Gestapoleuten. Wir müssen so rasch wie möglich hindurch.‹
    Wir schliefen in einem kleinen Ort. Ich hatte eigentlich den Wagen irgendwo stehenlassen und mit der Bahn weiterfahren wollen. Ich tat es nicht. Spanien war unsicher; ich wollte es so rasch wie möglich wieder verlassen. Der Wagen wurde in einer unerklärlichen Weise so etwas wie eine finstere Maskotte; seine technische Vollkommenheit verdrängte auch den Schauder, den ich vor ihm hatte. Ich brauchte ihn zu sehr; ich dachte nicht mehr an Georg. Er hatte zu lange als Drohung über meinem Leben gehangen; jetzt war er fort, und ich empfand fast nur das. Ich dachte an den Lächler; er lebte und konnte telefonisch versuchen, uns verhaften zu lassen. Auf Mord lieferte jedes Land aus. Daß es Notwehr gewesen war, hatte ich dort zu beweisen, wo es geschehen war.
    Ich erreichte die portugiesische Grenze spät in der folgenden Nacht. Visa hatte ich ohne Schwierigkeit unterwegs bekommen. Ich ließ Helen an der Grenze im Wagen mit laufendem Motor. Wenn etwas Verdächtiges geschähe, sollte sie losfahren, auf mich zu, ich würde aufspringen, und wir würden zum portugiesischen Zoll durchbrechen. Viel konnte uns nicht passieren; es war eine kleine Station, und ehe die Beamten in der Dunkelheit schießen und treffen konnten, wären wir entkommen. Was dann in Portugal passieren würde, war eine andere Sache.
      Nichts geschah. Im wehenden Dunkel standen die uniformierten Beamten wie Figuren in einem Bilde Goyas. Sie salutierten, und wir fuhren zur portugiesischen Station, wo wir in derselben Weise eingelassen wurden. Gerade als der Wagen angefahren war, kam einer der Beamten hinter uns hergelaufen und rief uns zu, zu halten. Ich überlegte rasch und hielt dann; wäre ich durchgefahren, hätte man den Wagen im nächsten Ort stoppen können. Ich hielt. Wir atmeten kaum. Der Beamte erreichte den Wagen. ›Ihr Carnet‹, sagte er. ›Sie haben es liegengelassen. Wie wollen Sie sonst zurückkommen über die Grenze?‹
    ›Danke vielmals!‹
      Hinter mir stieß der Junge den Atem aus. Ich selbst hatte einen Moment das Gefühl, ohne Schwerkraft zu sein, so erleichtert war ich.
      ›Jetzt bist du in Portugal‹, sagte ich zu dem Jungen. Er nahm langsam die Hände vom Mund und lehnte sich zum erstenmal zurück. Die ganze Fahrt hatte er vorgebeugt gesessen.
    Dörfer flogen vorüber. Hunde bellten. Ein Schmiedefeuer glühte im frühen Morgen, und ein Schmied beschlug einen Schimmel. Es regnete nicht mehr. Ich wartete auf das Gefühl der Befreiung, auf das ich so lange gewartet hatte; aber es kam nicht. Helen saß still neben mir. Ich wollte mich freuen, aber ich fühlte mich leer.
      In Lissabon telefonierte ich mit dem amerikanischen Konsulat in Marseille. Ich schilderte, was geschehen sei bis zu dem Moment, als Georg erschienen war Der Mann, mit dem ich telefonierte, meinte, dann wäre ich ja jetzt sicher. Alles, was ich von ihm erreichen konnte, war, daß er versprach, wenn ein Visum angewiesen würde, es an das Konsulat in Lissabon weiterzuleiten.
      Der Wagen, der uns so lange geschützt hatte mußte weggeschafft werden. ›Verkaufe ihn‹, sagte Helen.
    ›Sollte ich ihn nicht irgendwo ins Meer rollen lassen?‹
      ›Das ändert nichts‹, erwiderte sie. ›Du brauchst das Geld. Verkaufe ihn.‹
      Sie hatte recht. Er war sehr leicht zu verkaufen. Der Käufer erklärte mir, daß er den Zoll zahlen und den Wagen schwarz lackieren lassen werde. Er war ein Händler. Ich verkaufte ihm den Wagen unter Georgs Namen. Eine Woche später sah ich ihn mit einer

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